Blind oder mit Rolli durch die Stadt

Die Viertklässler der Grundschule Tönisberg erlebten am Mittwoch in der Altstadt, wie es ist, im Rollstuhl zu sitzen, blind oder taub zu sein.

Blind oder mit Rolli durch die Stadt
Foto: Georg Salzburg

Kempen. In den Schuhladen an der Engerstraße kommen Philip, Philipp und Max auch mit Rollstuhl ganz leicht. „Für lange Zeit würde ich das nicht machen wollen“, sagt der neunjährige Philipp, der mit einiger Muskelkraft den Rollstuhl voranbringen muss. Max hat unterdessen Kopfhörer auf und erlebt den Gang durch die Altstadt wie jemand, der taub ist. Die drei Schüler aus Tönisberg besuchen die Grundschule und sind mit ihrer vierten Klasse am Mittwoch in der Stadt unterwegs gewesen, um einmal zu erleben, wie es ist, als behinderter Mensch den Alltag bestreiten zu müssen. Mit verbundenen Augen ging es für einige Schüler auch blind durch die Altstadt.

Idee und Organisation zu diesem Mobilitätstraining kamen vom Kempener Kinderschutzbund, der die Tönisberger Schüler dazu eingeladen hatte. Im vergangenen Herbst hatten bereits Sechstklässler der Kempener Gesamtschule an einem solchen Training in der Altstadt teilgenommen. „Beim ersten Mal waren die Kinder sehr begeistert“, sagt Margret Terhoeven, Geschäftsstellenleiterin des Kinderschutzbundes, die zusammen mit Schatzmeister Martin Beyel für den Verein die Klasse auf dem Buttermarkt begrüßte. Gerne will der Kinderschutzbund in nächster Zeit auch noch einer dritten Klasse einer Kempener Schule ein solches Training ermöglichen.

Durchgeführt wird es von der Firma XPad Abenteuer- und Erlebnispädagogik aus Viersen. Marius Kingen, Anna Schaffrath und Lea Vahsen von XPad machten die Kinder auf dem Buttermarkt mit kleinen Spielen erst einmal warm. Vorab hatte Marius Kingen die Kinder in der Schule besucht, um sie kennenzulernen und auf das Thema vorzubereiten.

Dann ging es also los. „Bei Treppen ist es richtig schwer“, sagt Philip, der froh ist, dass in den Spielzeugladen und in die Eisdiele nur eine Stufe zu überwinden war. In einer Bank sieht es da schon anders aus. „Aber da steht ein Schild, dass wir andersrum gehen können“, sagt der Grundschüler.

Auch Paul und Gentian stoßen in ihrem Rollstuhl schnell an Grenzen. Der Einkaufsbummel ist in den engen Gängen zwischen den Kleiderständern gar nicht einfach. In einem anderen Geschäft geht es für sie nicht weiter. Die Schuhe, die sie sich ansehen wollten, stehen im Keller. „Sie sollen nun allein zurechtkommen und müssen andere Menschen um Hilfe fragen“, erklärt Klassenlehrerin Stephanie Karst. „Es ist gut, dass die Schüler einmal sehen, wie hilflos Kinder sind, die im Rollstuhl sitzen“, so die Lehrerin. Die Schüler lernen an diesem Tag eine Menge. Nicht nur, dass man auf den glatten Straßen besser vorankommt als auf dem unebenen Buttermarktpflaster, sondern auch, wie es ist, andere um Hilfe zu bitten. Gentian müht sich lange alleine ab, um im Rollstuhl voranzukommen, bittet dann aber seinen Mitschüler: „Kannst Du mich mal anschieben?“ Und schon geht es um einiges schneller zurück zum Treffpunkt am Buttermarkt.

Viele Passanten lobten die Aktion — und halfen gerne, wenn die Tür offen gehalten werden musste oder etwas heruntergefallen war, was ein Rollstuhlfahrer allein nicht aufheben kann.

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