Bestnote für Von-Broichhausen-Stift

Das Von-Broichhausen-Stift bekam bei einer Prüfung eine „1,0“. Mitarbeiter üben Kritik am bürokratischen Aufwand.

Kempen. Von seinem Ledersessel aus blickt Werner Vogel nach links auf sein Bett. Darüber hängen zwei große Rahmen, auf die der 84-Jährige stolz deutet: „Gucken Sie mal, das sind meine Kinder und Enkel.“ Ein bisschen wie zu Hause soll es sein, in seinem Zimmer im Von-Broichhausen-Stift. Seit Februar lebt er dort. Zunächst in einem Doppelzimmer. „Aber das hat nicht so gut geklappt“, wendet die stellvertretende Einrichtungsleiterin Hildegard Kokot ein. Der Zimmergenosse sei geistig „nicht mehr so fit gewesen“.

Der St. Huberter Werner Vogel hat sich inzwischen eingelebt. Besonders mag er die Schwestern dort — „die sind sehr nett“, sagt er und lacht verschmitzt. Mit seiner 83-jährigen Frau, die im Haus Wiesengrund lebt, trifft er sich täglich. Sie hat es nicht mehr geschafft, ihren Mann allein zu pflegen.

In so einer Situation steht die Familie vor der schweren Entscheidung, einen Angehörigen in fremde Hände zu geben. Beinahe genauso hart wie die Gewissensentscheidung, ist die Wahl der passenden Pflegeeinrichtung.

Um die Qualität der Heime transparenter zu machen, führt der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) seit 2010 einmal im Jahr in jeder Einrichtung eine Prüfung durch. Die Ergebnisse werden im Internet veröffentlicht. Im September ist das Von-Broichhausen-Stift unangekündigt getestet worden — und bestand mit Bravour. „1,0“ lautet die Gesamtnote, die sich aus 64 Kriterien zusammensetzt.

„Zunächst muss ein langer Fragenkatalog im Büro abgearbeitet werden“, erläutert Claus Keultjes, der das Haus leitet. Im Anschluss werden die Bewohner befragt. Zehn Prozent der derzeit 145 Patienten sind per Zufall ausgewählt worden. „Am Ende gab es nur minimale Kritik und einzelne Verbesserungsvorschläge“, sagt Michael Rudloff, der den Pflegedienst im Haus leitet.

Wie aber im Alltag mit den Menschen persönlich umgegangen wird, darüber liefert die Note kaum eine Aussage. „Vom Grundsatz her ist die Überprüfung ja eine gute Sache, aber die Systematik ist zweifelhaft“, sagt Claus Keultjes. „Es wird nur die Struktur- und Prozessqualität, und nicht die Lebensqualität der Bewohner bewertet.“

Stattdessen liege der Fokus auf der sich immer weiter ausdehnenden Dokumentationspflicht. „Die Pflege an sich ist schon leistbar, aber der bürokratische Aufwand dazu frisst Zeit“, sagt Keultjes. Für Pflegedienstleister Rudloff sind die Veränderungen deutlich spürbar: „Vor zehn Jahren war es noch möglich, sich mal zu einem Patienten zu setzen und sich zu unterhalten.“

Dabei brauchen die alten Menschen nicht nur medizinische Versorgung, sondern auch Zuwendung. 87 Jahre alt sind die Bewohner im Durchschnitt, rund zwei Drittel davon leiden an einer Form von Demenz. Ihre Symptome sind keine körperlichen. Bei Unruhe und Orientierunglosigkeit braucht es mehr als nur ein, zwei Tabletten.

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