Einkaufen Sondergrößen-Verkäuferin macht auch Hausbesuche

Kempen. · Claudia Braun von „NoBody’s Perfect“ betrachtet ihren Job als Berufung. Sie erklärt, worauf sie beim Verkauf achtet.

 In ihrem Geschäft am Studentenacker verkauft Claudia Braun Kleidung in allen Sondergrößen – nicht nur besonders große.

In ihrem Geschäft am Studentenacker verkauft Claudia Braun Kleidung in allen Sondergrößen – nicht nur besonders große.

Foto: Wolfgang Kaiser (woka)

Im Schaufenster des Geschäfts in der Kempener Fußgängerzone fällt er gleich auf: der Herr mit dem wirklich ansehnlichen Bauchumfang in einem frechen blau-grünen Sommerhemd und Shorts. „NoBody’s Perfect“ heißt die Boutique am Studentenacker 6. Die Worte „Body“, also Körper, und „Perfect“ sind farblich hervorgehoben. Inhaberin Claudia Elke Braun (53) betreibt seit sechs Jahren das Geschäft für Menschen, die mit den normalen Konfektionsgrößen nicht zurechtkommen.

„Ich mag das Wort Übergrößen nicht. Das klingt so negativ“, sagt sie, „ich bevorzuge den Begriff Sondergrößen.“ Sie holt eine Hose aus dem Regal, in die sie selbst wohl mindestens zweimal hineinpassen würde: „Die ist für einen Kunden, der 2,20 Meter groß ist und eine Beinlänge von 1,25 Meter hat.“ Und zeigt den dazu passenden Gürtel. Der misst 1,70 Meter. Das sind dann Konfektionen, die bis zur Größe 82 reichen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Damen, die so zierlich sind, dass sie auf Kinderkleidung zurückgreifen müssten. Oder so lang, dass alle Hosen Hochwasser haben. Zu kräftig, zu schmal, zu groß, zu klein.

Claudia Braun arbeitete vorher
in einem Geschäft für Brautmode

Viele Menschen passen nicht in die von der Massenindustrie vorgegebenen Norm- und Idealmaße – und leiden darunter. Ein Einkauf kann dann schnell in eine Tortur ausarten. Möglicherweise geht es hinterher ohne neue Kleidung, dafür aber mit lädiertem Selbstwertgefühl wieder nach Hause. „Keiner ist perfekt, aber jeder ist einzigartig und hat das Recht, gut gekleidet zu sein“, sagt Braun mit Nachdruck.

Vor sechs Jahren wagte die Kempenerin den Sprung in die Selbstständigkeit. Zuvor hatte sie als Fachverkäuferin in einem Brautmodengeschäft gearbeitet und dort oft genug erlebt, welche Schwierigkeiten junge Frauen mit üppigem Körperbau beim Kauf des Hochzeitskleides hatten. Ihr Geschäftskonzept war so erfolgreich, dass sie im Herbst vergangenen Jahres in Lobberich auf der Hochstraße eine Filiale eröffnete.

Sie bezieht ihre Ware von deutschen Lieferanten, die sich auf den breiten Größenspiegel spezialisiert haben. Aber auch die handelsüblichen Konfektionsgrößen sind in Brauns Geschäft vorrätig. Vom Stil her gibt es alles, von alltagstauglich bis festlich. Die Stoffe sind nachhaltig gefertigt und vorgewaschen, sodass keine Rückstände über die Haut aufgenommen werden können. Das ist besonders wichtig für Menschen mit Allergien. Notwendige Änderungen werden so durchgeführt, dass die Kleidung nachher wie angegossen passt.

Von „Problemzonen“
will Braun nichts hören

Der etwas höhere Preis werde von den Kunden bereitwillig akzeptiert, sei gar kein Thema, berichtet Braun. Zumal jeder Kauf von einer ausgezeichneten Beratung begleitet wird. „Es braucht schon Empathie und Fingerspitzengefühl“, sagt sie. Aber zur Beratung gehört auch eine gewisse Lenkung. „Da kann ich auch schon mal energisch werden“, sagt sie, etwa wenn Kunden auf dem Standpunkt beharren, „das steht mir eh nicht“. Einer ihrer Standardsätze lautet dann etwa: „Wir haben keine Problemzonen, wir haben Fakten“, wie sie schmunzelnd erzählt.

Sie macht nach Absprache auch Hausbesuche, etwa bei Menschen, die ein Handicap haben, nicht mehr mobil sind oder die sich ungern in die Öffentlichkeit eines Ladenlokals begeben. „Ich kann auch Unterwäsche oder Rehakleidung besorgen“, sagt Braun, die für ihre Kunden so ziemlich alles tue. Da zeigt sie einer jungen Kundin, die bislang nur Billigmode getragen hat und nun an der Schwelle zum Berufsleben steht, auch schon mal, wie ein BH richtig passt und eingestellt wird. Stammkunden schauen häufig auf ein Schwätzchen bei ihr rein.

„Dienst am Menschen“, nennt sie das, was andere als Job bezeichnen würden. „Vielleicht kommt es daher, dass ich aus einer sehr großen Familie mit acht Kindern komme und schon früh Verantwortung übernehmen musste“, überlegt sie. Und: „Ich freue mich, wenn die Menschen mit einem Lächeln aus dem Geschäft gehen.“

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