kempen : Verfassungsgerichtshof-Präsident: Grundgesetz ist eine „Verfassung der Mitte“
Kempen. Lars Brocker erklärt bei einem Besuch in Kempen, er sehe die Verschiebung der Politik in die rechtspopulistische Richtung mit Sorge.
Das Grundgesetz, gerade 70 Jahre alt geworden, war am Samstagnachmittag Thema einer Veranstaltung der SPD des Kreises Viersen im Haus Wiesengrund. Trotz der hochsommerlichen Temperaturen war der Saal gut besetzt.
Der gebürtige Viersener Lars Brocker ist als Präsident des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz sehr vertraut mit dem Grundgesetz. Für ihn stellt es die unverzichtbaren Prinzipien des Zusammenlebens im Staat dar. Denn es schreibe sowohl die Würde des Einzelnen, das Rechtsstaatsprinzip als auch soziale Bestandteile fest. Und es gelte für jeden Deutschen, egal ob hier geboren oder eingebürgert. Allein darin liege schon ein gewaltiger Unterschied zur Zeit des Nationalsozialismus. Brocker betonte auch die Wichtigkeit des Grundgesetzes für die politische Bildung. Allerdings warnte er auch von einer großen Zersplitterung der politischen Landschaft. Das Grundgesetz sei eine Verfassung der Mitte und garantiere seit siebzig Jahren Frieden und Freiheit in einem gemeinsamen Europa. Mit Sorge sah er die derzeitige Verschiebung der Politik in die rechtspopulistische Richtung. Er forderte ein auf Kompromiss gerichtetes Miteinander. Das Grundgesetz muss gelebt und von allen angenommen werden, sagte er zum Schluss seines Vortrags.
Mit Mia Hubertz, Jahrgang 1927, erinnerte sich eine Zeitzeugin an die Nazi-Zeit in Kempen. Sie stammte aus einer Einzelhändlerfamilie. Ihr Vater war streng gegen den Nationalsozialismus und sah die Entwicklung mit Sorge. Sehr humorig schilderte sie eine vermeintliche Durchfahrt Hitlers in Kempen. Es entstand eine richtige Massenhysterie, erinnerte sie sich. Hinterher stellte sich heraus, dass Hitler gar nicht in den vorbei fahrenden Wagen saß.