Experte zeigt die Schneise des Tornados

Wetterforscher haben den Tornado, der am 16. Mai im Kreis wütete, analysiert. Mit bis zu 250 km/h wurden Teile in den Strudel gesogen.

Experte zeigt die Schneise des Tornados
Foto: Bauch/Knappe

Viersen. Ein Großeinsatz für die Feuerwehr, zwei Verletzte und Sachschäden in Millionenhöhe: In wenigen Minuten richtete ein Tornado im Kreis Viersen am Abend des 16. Mai massive Schäden an. Meteorologen haben nun erste Erkenntnisse zum Tornado gesammelt. „Nach der Fajita-Skala ist der Tornado als F 2 eingestuft“, sagt Andreas Friedrich, Pressesprecher und Tornadobeauftragter des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Das heißt: Mit Geschwindigkeiten von 181 bis 253 Kilometern pro Stunde sog der Luftstrom Teile von Dächern, Bäume und sogar ein Wohnmobil in den Strudel des Tornados.

Experte zeigt die Schneise des Tornados
Foto: Bauch/Knappe

Die Fortbewegungsgeschwindigkeit ist in der Regel deutlich geringer — laut Richtwert der Skala zwischen 50 und 60 Kilometern pro Stunde. „Nach neuesten Berechnungen hatte dieser Tornado eine sehr geringe Fortbewegungsgeschwindigkeit mit weiterer Reduktion von Boisheim aus in Richtung Heidend“, sagt Björn Stumpf, Projektleiter des WTINFO Tornado Research Project mit Sitz in Fulda. Das Projekt werde seit 2008 von freien geschulten Mitarbeitern geführt, die wissenschaftlich in der Klima- und Extremwetterforschung tätig sind. Die Hauptarbeit liege in der Erfassung der Schadenmuster und der Kartierung von Sturmschäden, berichtet Stumpf.

Seinen Berechnungen zufolge sei der Tornado mit einer Geschwindigkeit von 26 Kilometern pro Stunde durch Boisheim gezogen. „Durch die geringe Zuggeschwindigkeit werden die meisten Baumbestände in Forstflächen zu Boden gedrückt oder geworfen und nicht gebrochen“, sagt Stumpf.

Im Zuge seiner Analyse hat Stumpf auch die Schneise des Tornados nachgezeichnet. „Die naturwissenschaftliche Bodenkartierung ist die aufwendigste Arbeit mit Vermessung der Gradzahlen, in welche Richtungen die Bäume liegen und in welche Richtungen Gegenstände verfrachtet wurden.“ Für seine Arbeit verwende er auch Videos und Fotos aus den betroffenen Gebieten. In seinem Projekt versuche er festzustellen, wie viele Extremwetterlagen es in Deutschland tatsächlich gibt. Dies funktioniere nur mit Vermessungen an der Schadensstelle und einer Auswertung der Daten. „Auf dem Doppel-Radar können wir und auch der DWD Tornados nicht erkennen, nur potenzielle Schadensgebiete.“

Eine Analyse im Nachhinein sei wichtig, um Extremwetterlagen wie den Boisheimer Tornado in Zukunft noch besser einschätzen zu können, sagt Friedrich: „Weltweit sind Tornados für uns Meteorologen das Schwierigste überhaupt.“ Zum einen sei ein Tornado ein Wetterphänomen, das mit detaillierten Aussagen von Augenzeugen und Bildmaterial belegt werden muss. Zum anderen sei es, wie auch Stumpf berichtet, nicht möglich, Tornados aus der Luft zu beobachten oder die Bildung frühzeitig von oben zu beobachten. „Die Wolkenschicht verdeckt in der Regel alles“, sagt Friedrich. Auch personell seien die Ressourcen nicht vorhanden, um die zerstörerischen Wettererscheinungen flächendeckend zu erfassen. Von Bedeutung ist die Tornadoforschung in Deutschland trotzdem: „Wir arbeiten im European Severe Storms Laboratory (ESSL) mit anderen Forschern zusammen“, sagt Friedrich. Das „Sturmlabor“ wurde 2002 gegründet und ist ein Netzwerk Europäischer Forscher mit Sitz in Wessling. Seit 2006 ist die Organisation als eingetragener gemeinnütziger Verein aktiv. Friedrich: „20 bis 60 Tornados werden in Deutschland jedes Jahr entdeckt.“ Die Dunkelziffer schätzt der Tornadobeauftragte weit höher, da viele Tornados auch in unbewohnten Gebieten auftreten oder nicht gemeldet werden.

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