Ein Weihnachtsfest in Ägypten

Matthias und Beate Engelke feiern in ihrer Heimat in Lobberich — und in Kairo.

Ein Weihnachtsfest in Ägypten
Foto: Engelke

Nettetal. Sogar Busfahren will neu gelernt sein: „Die Busse halten nicht an Haltestellen, sondern da, wo jemand steht und zusteigen möchte, und umgekehrt kommst du da raus, wo du es anmeldest, sonst braust der Bus vorbei“, erzählt Matthias Engelke. Nicht nur der Verkehr in der ägyptischen Hauptstadt Kairo war ungewohnt für den ehemaligen evangelischen Pfarrer von Lobberich und seine Frau Beate Engelke. Im August starteten sie dort neu durch, um sich sozial zu engagieren, den interreligiösen Dialog zu pflegen und friedenstheologisch zu arbeiten. Über Weihnachten sind die Engelkes zu einer Stippvisite in Deutschland.

„Wir haben Anschluss an eine griechisch-katholische Gemeinde gefunden“, nennt Engelke als Beispiel dafür, dass sie sich eingewöhnt haben, dass der Glauben ihren Alltag prägt. Und zwar unabhängig von Konfessionen oder Religionen: „Wir besuchen auch Gottesdienste der deutschsprachigen protestantischen Gemeinde im alten Stadtzentrum, haben schon im ersten Monat mit einer befreundeten Familie zwei hohe muslimische Feiertage mitgefeiert, besuchen dann natürlich auch die Moschee“, sagt er.

Das Miteinander der Religionen, der Respekt vor anderen Bekenntnissen — für die Engelkes eine Selbstverständlichkeit, die sie schon in Nettetal praktizierten, der 59-Jährige in den zwölf Jahren als Pfarrer in Lobberich, die 56-Jährige als Vorsitzende des Fördervereins Flüchtlingshilfe. So wird der promovierte Theologe in Kairo mit dem Kollegen der griechisch-katholischen Gemeinde Anfang des Jahres ein friedenstheologisches Seminar gestalten. Thema: „Die Gewalt arm und das Leben reich machen — den Frieden entdecken“.

Friedlich ging es nicht immer zu in den vergangenen Monaten in Ägypten: „Nach dem furchtbaren Anschlag auf die Moschee im Nord-Sinai gab es drei Tage Staatstrauer. Feiern wurde abgesagt, Behörden hatten zu“, erinnert sich Engelke, „aber der Alltag geht weiter.“

Das Leben in diesem arabischen Alltag zu meistern ist für die Engelkes, die dort eine Wohnung haben, eine Herausforderung, auch wenn sie die Stadt bereits von Besuchen kannten und dort Freunde haben. Statt niederrheinischer Idylle nun Weltstadt-Atmosphäre: „Hier leben 20 Millionen Menschen“, merkt Engelke an. In der Metro seien sie meist die einzigen europäisch aussehenden Reisenden.

Die Verständigung sei mitunter mühsam, obwohl das Paar durchaus Arabisch könne: „Die sprechen so schnell“, gibt Engelke zu. Die Hitze im Sommer habe ihnen zu schaffen gemacht, gegen die Kälte im eher milden ägyptischen Winter würden nachts zwei Decken reichen. Dafür schwärmt Engelke von der vielfältigen ägyptischen Küche: „Ich verstehe jetzt, warum man auf die Idee kommen kann, Obst zu salzen: Es schmeckt!“

Während Beate Engelke in einer ägyptischen Sprachschule arbeitet, in der die Kinder auf Deutsch unterrichtet werden, fährt Matthias Engelke regelmäßig nach Alexandria zum Caritas-Zentrum für gefährdete Kinder, die auf der Straße leben: „Dort helfe ich in der Küche mit, musiziere mit den Jungs.“ Zudem besuchte Engelke das Stadtviertel, in der Familien vom Müllsortieren leben. „In dieser Müllstadt habe ich vor 37 Jahren in einem Sozialprojekt gearbeitet, inzwischen stehen dort Häuser, und viele Kinder besuchen Schulen“, sagt er.

Mittlerweile sind die Engelkes weihnachtlich gestimmt: „Bei vielen Familien steht auch ein Tannenbaum, prachtvolle Exemplare aus echtem Plastik“, sagt der 59-Jährige. Einen Adventskranz kenne man nicht, dafür fasten die koptischen Christen vom 1. Advent bis zum 6. Januar und feiern am Tag danach Weihnachten. Beate und Matthias Engelke feiern gleich doppelt, erst beim Heimatbesuch mit der ganzen Familie im Kloster Steyl. Anfang Januar geht es zurück nach Kairo, wo sie ein zweites Mal Weihnachten feiern. Engelke: „Wir wollen doch das koptische Weihnachtsfest am 7. Januar nicht verpassen.“

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