Wege aus der Schuldenfalle

40 000 Menschen im Kreis Mettmann sind überschuldet. Durchschnittlich haben sie Verbindlichkeiten von 32 000 Euro.

Kreis Mettmann. Die Beziehung hatte so schön angefangen: Michael Decker (Name von d. Red. geändert) lernte seine Frau kennen, beide zogen zusammen. Die gemeinsame Zukunft sollte beginnen. Beide nahmen für die Wohnungseinrichtung einen Kredit auf. Von den 1500 Euro netto, die beide zusammen verdienten, konnten sie die Ratenzahlungen begleichen.

Doch Deckers Frau wurde unerwartet schwanger, eine Babyausstattung musste her. Dafür nahmen die beiden erneut einen Kredit auf. Allerdings hatten sie jetzt nur noch 1200 Euro Einkommen zur Verfügung, weil Deckers Frau nicht mehr arbeiten ging, um zu Hause beim Kind bleiben zu können.

Das ging auch noch irgendwie. Doch dann verlor er seinen Arbeitsplatz, und das Paar steckte tief in den Schulden: insgesamt 28 000 Euro — und Geld, um sie zu tilgen, war nach dem Jobverlust keines mehr da.

Solche Fälle von Überschuldung kennt Dagmar Peetz nur zu gut. Sie ist Schuldnerberaterin beim Deutschen Roten Kreuz in Wülfrath. 43 Klienten berät sie im Jahr, wie sie aus der Schuldenfalle rauskommen können. „Das Wichtigste ist, mit ihnen eine Budgetplanung zu machen. Viele haben kein Bewusstsein darüber, was sie an Einnahmen und Ausgaben haben und verlieren den Überblick über ihre Finanzen“, sagt sie. Dies sei auch eine der Hauptursachen, warum Menschen überschuldet sind — also nicht mehr in der Lage, mit dem eigenen Einkommen die Verbindlichkeiten begleichen zu können.

Und von diesen Personen gibt es im Kreis Mettmann rund 40 000. Nachdem die Zahl der überschuldeten Personen, die älter als 18 Jahre alt sind, zwei Jahre rückläufig war, ist sie jetzt wieder gestiegen. Alle zusammen haben einen Schuldenberg in Höhe von etwa 1,3 Milliarden Euro aufgetürmt — im Schnitt 32 000 pro Kopf. Das ist das Ergebnis der Wirtschaftsauskunft Creditreform, die für die Großregion Düsseldorf einen Schuldner-Atlas erstellt hat.

In vielen Fällen kann Peetz helfen. „Manchen muss einfach nur klar gemacht werden, wo sie sparen müssen und können“, sagt sie. Bei einigen Klienten bliebe aber nichts anderes übrig, als die Verbraucherinsolvenz anzumelden. „Auch dabei helfen wir Schuldnerberater“, sagt Peetz, die das Verfahren, das 1999 vom Gesetzgeber eingeführt wurde, begrüßt. „Denn so haben auch heftig überschuldete Leute die Chancen, nach sechs Jahren schuldenfrei zu sein.“

Wie viele das Insolvenzverfahren angemeldet haben, ist für dieses Jahr noch nicht abschließend ermittelt. Aber im ersten Halbjahr 2011 sind laut Statistischem Landesamt im Kreis Mettmann 288 Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet worden.

Genauso wie Peetz hat auch Heinrich Beyll, Schuldnerberater beim Caritasverband für den Kreis Mettmann, Klienten zum Insolvenzverfahren geraten. „Das ist für die Betroffenen einfach gut, um überhaupt einen Neustart hinzubekommen. Aber sicherlich ist das ein Verfahren, wenn absolut keine Alternative mehr möglich ist wie die Reduzierung von Ratenzahlungen.“

Dass die Zahl der überschuldeten Personen zugenommen hat, bemerkt auch Beyll. „Wenn jemand bei mir einen Termin haben will, dann muss er mit einer Wartezeit von vier bis fünf Monaten rechnen“, sagt er.

Jährlich betreut er bis zu 200 Ratsuchende. Viele von ihnen sind arbeitslos und können deshalb die Kredite nicht abbezahlen. „Andere haben einfach nie gelernt, mit Geld umzugehen“, sagt er. Deshalb sei es besonders wichtig, bei der Erziehung von Kindern und Jugendlichen darauf zu achten. „Das ist eigentlich die beste Vorsorge, damit die Fallzahlen sinken.“

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