Vor 100 Jahren waren nicht nur die Schulbänke hart

Ein Besuch des Museums Abtsküche in Heiligenhaus veranschaulicht den Alltag ohne moderne Helfer in Küche und Werkstatt.

Heiligenhaus. In der "guten alten Zeit", damals, als das Leben beschaulich und weniger hektisch war... Aufwachen. Wer die im wahrsten Wortsinne harten Seiten des Lebens vor 100 Jahren kennen lernen möchte, dem sei ein Besuch des Museums Abtsküche in Heiligenhaus empfohlen. Die Ausstellung gewährt Einblicke, wie der Alltag zu jener Zeit tatsächlich aussah.

In dem früheren Schulgebäude anno 1908, dort, wo früher maximal 100 Kinder die Schulbank gedrückt haben, stehen noch einige dieser harten Holzmöbel und verursachen beim bloßen Anblick Rückenschmerzen.

Wegwerfartikel wie Werbekulis nutzte kein Abc-Schütze, um lateinische Ausgangsschrift oder deutsche Buchstaben sauber aufs Papier zu malen. Vielmehr verteilte der Lehrer ein hübsch anzusehendes Tintenfasstablett inklusive sorgfältig gearbeitetem Federhalter, das nach erfolgreicher Arbeit wieder eingesammelt wurde.

Ebenso gehörten zum damaligen Schulalltag der schwungvoll eingesetzte Rohrstock bei Widerworten aller Art ebenso wie das Verteilen von Fleißbildchen an besonders strebsame Schüler.

Auch der hauswirtschaftliche Exkurs macht deutlich: Glühstoffplätte, Plättbolzen oder Gasbügeleisen sehen entzückend aus, ließen die Bügelarbeit an des Gatten gestärktem Oberhemd aber erheblich länger dauern als die Arbeit mit modernen Dampfbügeleisen.

Überhaupt: Das Leben ohne Küchenmaschine und Kühlschrank für die vorausschauende Art der Vorratshaltung muss aus unserer heutigen Sicht beschwerlich gewesen sein - daran ändern auch die akribisch gesammelten, sehenswerten Accessoires, die in der Abtsküche präsentiert werden, wenig. Und Sinnsprüche wie "Eine kluge Ehefrau kocht mit Fleiß des Gatten Lieblingsspeis’" machten es Evas Töchtern auch nicht leichter.

Die Werkstatt des Sattlers und Schumachers vermittelt Einblicke ins alte Handwerk, im Kolonialwarenladen befanden sich Schleckereien noch nicht abgepackt in Cellophan, sondern in großen Glasbehältern.

Ergänzt wird die ständige, unbedingt erlebenswerte Ausstellung durch Sonderveranstaltungen wie ein Robin-Hood-Camp, Trödelmarkt, Konzerte oder eine Schau zur Dröppelmina, dem optischen Mittelpunkt der klassischen bergischen Kaffeetafel.

Zu diesem Festschmaus am Nachmittag gehören verschiedene Zutaten, je nach Gusto und Geld. Aber eines darf nie fehlen, die Waffeln, weshalb die Schau folgerichtig "Dröppelmina & Waffeleisen" heißt.

Ausgestellt sind zahlreiche Exemplare der wohl aus Holland stammenden Kannen aus Zinn und ebenso viele alte Waffeleisen. Weil zur Kulturgeschichte der Waffel die Rezepte zur Herstellung des köstlichen Backwerks gehören, sucht das Museum zurzeit die leckersten, um nach Beendigung der Ausstellung eine kleine Publikation herauszugeben.

Diese abwechslungsreichen Aktionen machen die Abtsküche zum beliebten Ziel - für Spaziergänger wegen der schönen Umgebung und für Interessenten an Geschichten gleichermaßen.

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