Wülfrath: Gespräche ersetzen Stille

Für eine neue Gruppe des Projekts „Zeit schenken“ werden Mitstreiter gesucht.

Wülfrath. Eva Gangolf schenkt Mitmenschen Zeit. Die Wülfratherin pflegt ihre Mutter "und ein paar Tanten". Und in Altenheime geht sie auch noch. Über das Projekt "Zeit schenken", das die Evangelisch-reformierte Kirchengemeinde und der katholische Pfarrverband vor rund drei Jahren mit dem Sozialen Dienst initiiert haben, ist die 51-Jährige zum Ehrenamt gekommen.

Rund 20 Personen sind in dem Kreis aktiv. "Der Bedarf ist aber höher", weiß Susann Seidel (Sozialer Dienst). "Wir haben Anfragen von Leuten, die um einen Besuch bitten, die wir nicht mehr erfüllen können", sagt Pfarrer Ingolf Kriegsmann. Daher werden neue "Zeitschenker" gesucht.

Einsame Menschen - in Heimen oder in der eigenen Wohnung: Das ist die Zielgruppe von "Zeit schenken". Ihnen soll "ein Stück Leben von außen gebracht werden", skizziert Diakon Christian Busch das Anliegen. Wo private Pfleger und Angestellte in den Heimen im Trott des Alltagstempos nicht verweilen können, sollen Ehrenamtler in den Arm nehmen, den Rücken streicheln, die Hand halten, erzählen, vorlesen - eben da sein und Zeit schenken.

Beim ersten Aufruf haben sich rund 30 Interessierte gemeldet. An zwei Nachmittagen wurden sie qualifiziert. "Das ist notwendig, weil das Klientel nicht immer einfach ist", merkt Busch an. Demenz, andere altersbedingte psychische Veränderungen: Da sind auch starke Nerven gefragt und Tipps, wie damit umgegangen werden kann.

Rund 20 Senioren werden zurzeit in deren Wohnungen und in den Heimen der Stadt regelmäßig besucht. Etwa 20 Ehrenamtler sind heute noch aktiv. "Wir brauchen aber mehr", sagt Susann Seidel.

Eva Gangolf ist noch dabei - und schätzt ihr Ehrenamt. "Ich verschenke nicht nur Zeit. Ich bekomme auch etwas zurück", sagt sie. Sie geht bevorzugt in Heime. "Es können gar nicht genug Leute dorthin hingehen", befindet sie. Dort herrsche trotz voller Räume eine große Stille.

Ihre Besuche sind ein willkommenes Geräusch in dem Schweigen. "Ich erzähle von draußen, was so gerade passiert", sagt sie. oder sie lässt die Senioren erzählen. Da bringt sie zum Beispiel mal eine Kaffeemühle mit, "und schon werden Erinnerungen wach", beschreibt sie strahlend.

Für Diakon Rudolf Schmitz ist das klar: "Man verschenkt Zeit und geht als Beschenkter." Und auch Susann Seidel befindet: "Es macht Spaß." Das bestätigt auch Margarete Herrmann. Sie ist 79 Jahre alt. Früher hat sie eine Dame in deren Wohnung besucht. "Es sollte jemand sein, der Rommee spielen kann", erinnert sie sich. Das kann sie. Die Damen trifft sie heute noch, inzwischen im Haus August von der Twer.

"Wir spielen dann Karten zum Beispiel in der Cafeteria." Ins Gespräch komme man dann so nebenbei, "über das Leben von früher, aber auch über das, was heute passiert. Sie will zum Beispiel wissen, wie gut die Tafel besucht wird". Diakon Busch nickt. "Diese Arbeit der ,Zeitschenker’ ist unbezahlbar."

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