Wo soll denn hier ein Ufer sein?

Der Name des Hauses an der Wilhelmstraße weist darauf hin, dass es mal am Wasser stand. Davon ist aber nichts mehr zu sehen.

Wo soll denn hier ein Ufer sein?
Foto: Holger Bangert

Wülfrath. Ein Ufer ist hier weit und breit nicht zu entdecken. Und doch verspricht der Name dieses Denkmals, dass es wohl irgendwann einmal eines gegeben haben muss. Das Haus „Op dem Over“ steht mitten in der Wülfrather Innenstadt und musste schon den ein oder anderen Besitzerwechsel mitmachen. Gebaut wurde es in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts im bergischen Fachwerkstil mit Vollwalmdach. An zwei Seiten — Süd und Ost — sind die Außenwände verschiefert. Zum Schutz vor Wind und Wetter, wie es Ilse Grebe in ihrem Text im Wülfrather Stadtbuch erklärt. An den beiden anderen Seiten erkennt man die klassischen schwarz gestrichenen Eichenbalken und die weißen Gefache.

Schon bevor es gebaut wurde, stand hier eines der wenigen mittelalterlichen Anwesen aus dem früheren Ortskern, das ist — so ist es im Portal Kuladig des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) zu lesen — für 1519, 1536 und 1546 belegt. Im 19. Jahrhundert kaufte die Familie Hill das Haus und richtete dort eine Gaststube mit Ausschank ein, 1861 kam eine Destillerie dazu, es gab außerdem einen Saal für Festlichkeiten. „Wie viele Generationen kamen und gingen, füllten das Haus mit Leben, mit ihren Träumen, mit ihren Sorgen und Nöten aber auch mit aller Fröhlichkeit“, schreibt Ilse Grebe über das Haus.

Michael Kumpf, Denkmalbeauftragter der Stadt Wülfrath, über den Ursprung des Begriffs „Ufer“

Nach dem Ersten Weltkrieg war hier eine Soldatenkantine während der französischen Besatzung eingerichtet. Doch später wurde es wieder zum Treffpunkt. 1925 gab es hier einen neuen Pächter: Otto Vogel, der dem Haus auch seinen Namenszusatz „Öhm Vogel“ verlieh. Auf ihn folgte Joseph Hirsch, der die Gaststätte erhielt.

Erst in den 50er Jahren änderte sich die Nutzung des Hauses. Die neuen Pächter Karl und Anneliese Baaske bauten es zu einem kleinen Geschäft um. Doch die Gaststätten-Zeit war noch nicht vorbei. Immer wieder wechselten die Pächter — 2007 wurde die Kneipe aber endgültig geschlossen, das Haus wieder als Ladengeschäft genutzt. Seit kurzem ist ein Telefonanbieter im Raum im Erdgeschoss untergebracht, das obere Stockwerk wird bewohnt.

Nun doch noch einmal zurück zum verheißungsvollen Namen: Wo soll den nun hier ein Ufer gewesen sein? Axel C. Welp, der für den LVR die Wülfrather Denkmäler im Portal Kuladig beschreibt, vermutet, dass sich dort tatsächlich einmal Wasser befunden hat. War die Wülfrather Innenstadt etwa einmal geflutet? Der Krapps Teich wesentlich größer, als das heute der Fall ist?

Der Denkmal-Beauftragte der Stadt, Michael Kumpf, hat daran Zweifel. Seine Theorie: Da früher einmal auf der heutigen Wiedenhofer Straße, die ja direkt am Haus „Op dem Over“ an der Wilhelmstraße 128 vorbeiläuft, die Grenze zwischen den beiden Honschaften Erbach und Püttbach verlief, war mit dem Ufer hier also kein Ufer an einem Gewässer gemeint, sondern womöglich eine Grenze zwischen zwei Honschaften als Ufer bezeichnet worden. „Das müsste man aber mal genau und abschließend untersuchen“, sagt Kumpf.

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