Wülfrath Verheerender Brand beendet Höhenflug

Wülfrath. · Die Karosseriefirma Joseph Hebmüller Söhne durchlebte zwischen 1924 und 1952 eine bewegte Geschichte in Wülfrath – am Ende stand eine Katastrophe.

 Dieser VW Käfer Typ 18A ist ein Polizeiwagen und wurde 1948 bis Ende 1949 in Wülfrath produziert.

Dieser VW Käfer Typ 18A ist ein Polizeiwagen und wurde 1948 bis Ende 1949 in Wülfrath produziert.

Foto: Klaus Hebmüller

Die 1890 in Barmen gegründete Karosseriefirma Joseph Hebmüller Söhne platzt im Jahr 1924 buchstäblich aus allen Nähten. Das Stammgelände bietet laut zeitgenössischen Berichten keine Erweiterungsmöglichkeiten mehr. „Zu dem Werk II an der Tönisheider Straße 3-7 ist Hebmüller aber eher zufällig gekommen“, weiß Wülfraths Archivar Axel Bayer. Das Gelände gehört einem Kunden der Firma, Wilhelm Körting, der in seinem Werk Autos mit sogenannten Selve-Vierzylinder-Motoren produziert. Die Karosserien dazu liefert Hebmüller aus Barmen. Durch die Inflation gerät Wilhelm Körting 1923 finanziell ins Trudeln und muss ein Jahr später, nach 350 gebauten Fahrzeugen die Produktion einstellen. Hebmüller übernimmt den Standort für seine Dependance.
Im Jahr 1935 arbeiten 130 Personen für die Karosseriewerke Joseph Hebmüller Söhne. Vier Handwerksberufe sind gefordert, um die Produkte herzustellen: Stellmacher, Schlosser, Lackierer und Sattler. Die Belegschaft baut zu dieser Zeit 50 Wagen pro Monat – und das äußerst erfolgreich. Sieben Karosserien für eine Reihe deutscher Autofirmen werden bei der Automobilausstellung in Berlin präsentiert. „Die Wagen sind in Stromlinienform gehalten“, so die Chronik. Die illustre Kundenliste von Hebmüller umfasst Namen wie Austro-Daimler, Bugatti, Mercedes, Hanomag, Ford und Opel. Als geradezu revolutionär gilt, dass die Verdecke so eingebaut sind, dass sie beim Herunterdrücken völlig im Wagen verschwinden und nicht mehr zu sehen sind. Dafür gibt es diverse Auszeichnungen, unter anderem den Goldenen Gürtel von Baden-Baden und von Neuenahr sowie das Goldene Ruhrband.

Bereits 1936 verlagert Hebmüller die Holzverarbeitung in das Werk III an die Schulstraße. Mittlerweile beschäftigt der Betrieb 207 Arbeiter und Angestellte. 1939 erfolgt der Umzug der Hauptverwaltung von Wuppertal nach Wülfrath. Grund war nicht zuletzt das günstigere Lohnniveau in der Kalkstadt, wie es die Chronik belegt. Das war allerdings auch die Zeit, in der die Nazis bereits an der Macht waren. Folglich standen nun im Auftragsbuch des Unternehmens auch Wünsche der Wehrmacht. Produziert wurden zum Beispiel Karosserien für Horch V8-Fahrgestelle für Nachrichten- und Fernsprechwagen der Wehrmacht. Noch neben zivilen Aufträgen, aber ab 1939 gab es nur noch Produkte für die Wehrmacht, wie die sogenannten Krupp Protze. Die Basis war ein Sechsrad-Fahrgestell des Essener Konzerns. 1943 wird das Werk I bei einem Fliegerangriff komplett zerstört und bis 1946 wieder aufgebaut. Auch das Werk II wird kurz vor Ende des II. Weltkriegs durch einen Tieffliegerangriff schwer beschädigt. Laut Chronik finden 14 Mitarbeiter den Tod.

Nach dem II. Weltkrieg geht es wieder steil bergauf für Joseph Hebmüller Söhne. Von Januar 1949 bis Juni 1949 steigt die Zahl der Mitarbeiter sprunghaft von 258 auf 436. Jetzt ist Volkswagen der wichtigste Kunde. Das Karosseriewerk fertigt für den Polizei-Kübelwagen und das zweisitzige VW Käfer Cabrio mit zwei Notsitzen die Karosserien. Letzteres ist bis zum heutigen Tag das Auto schlechthin, das mit dem Namen Hebmüller in Verbindung steht. Das Hebmüller-Cabrio findet reißenden Absatz. 1949 ist die Produktion für weit mehr als ein Jahr ausverkauft. Das Borgward-Cabrio ist ebenfalls sehr begehrt. Auch die Umstellung des Fabrikationsbetriebes läuft auf Hochtouren. Holz und Metall passen nicht mehr zusammen, die Stahlkarosserie hat ihren Siegeszug angetreten. In Wülfrath wird eine 2000-Tonnen-Presse angeschafft, mit der eine Reihenfertigung möglich ist. 17 Fahrzeuge können nun täglich produziert werden. Auch im Rennsport mischt das Werk mit. Stromlinienförmige Chassis für Veritas-Boliden werden produziert. Der wohl bekannteste Pilot, der in einem solchem Rennwagen Gas gibt, ist Karl Kling, der später, 1954 und 1955, mit einem Silberpfeil des Mercedes-Teams elf Formel-1-Rennen bestreitet.

1949 ist aber auch das Jahr einer Katastrophe für Hebmüller und Wülfrath. Im Juli bricht in einer Spritzkabine Feuer aus. Zu dieser Zeit werden häufig Nitrolacke verwendet. Deren Endzündung gilt als Brandursache. „Der ausgelöste Brand äschert fast die ganze Firma ein“, berichtet die Chronik. Die Feuerwehren aus dem gesamten Bezirk sind im Einsatz. Wegen fehlenden Wasserdrucks müssen die Wehrmänner Wasser aus dem Krapps Teich über Schlauchleitungen zum Brandort pumpen. „Der Wiederaufbau geht zügig voran und die Produktion geht weiter, aber die finanziellen Mittel sind erschöpft“, so die Chronik. 1952 wird ein Vergleich beantragt, danach folgt die Betriebseinstellung. Mehr als 700 Mitarbeiter sind betroffen. „Joseph Hebmüller Söhne muss trotz hervorragender Auftragslage Konkurs anmelden“, sagt Stadtarchivar Axel Bayer. Die Kosten für den Wiederaufbau sind durch die Versicherungssumme nicht ansatzweise abgedeckt. Der angehäufte Schuldenberg sorgt dafür, dass Banken Kredite kündigen. Die Firmengeschichte endet in Wülfrath nach 28 bewegten Jahren. Das Hebmüller-Cabrio ist für viele Autofans das Vermächtnis von Joseph Hebmüller Söhne.

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