Velbert Stolpersteine sollen „zeitlos“ werden

Neviges. · Tobias Glittenberg und Christian Wagner wollen Biografien von Nazi-Opfern digitalisieren.

 Tobias Glittenberg sammelt Material zu den Menschen, deren Namen auf den Stolpersteinen stehen, wie hier am Hasenkampsplatz. Durch die Digitalisierung soll eine zeitlose Biografie entstehen. Mit „#41leben“ in den Sozialen Medien hoffen er und sein Mitstreiter Christian Wagner an entsprechende Informationen zu gelangen.

Tobias Glittenberg sammelt Material zu den Menschen, deren Namen auf den Stolpersteinen stehen, wie hier am Hasenkampsplatz. Durch die Digitalisierung soll eine zeitlose Biografie entstehen. Mit „#41leben“ in den Sozialen Medien hoffen er und sein Mitstreiter Christian Wagner an entsprechende Informationen zu gelangen.

Foto: Ulrich Bangert

Das vor einem Jahr gegründete Bündnis „Aktiv gegen Antisemitismus“ wollte am heutigen 82. Jahrestag der Pogromnacht der Velberter Opfer des NS-Regimes gedenken. Es sollte Flagge gegen Antisemitismus und Rassismus sowie für die Menschenrechte gezeigt werden. Der Leiter der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf wollte über das heutige Leben berichten, umrahmt von passenden Musikbeiträgen. Wegen der Corona-Pandemie wurde die Veranstaltung im Bürgerhaus Langenberg auf unbestimmte Zeit verschoben. Trotzdem engagieren sich gerade junge Menschen dafür, um die Erinnerung an das Unrecht wach zu halten.

An der Gesamtschule Velbert-Mitte gibt es seit Jahren die Projektgruppe „Auschwitz-Fahrt“. Bevor die Schüler der zwölften Jahrgangsstufe das größte Vernichtungslager der Nationalsozialisten erleben, beschäftigen sie sich mit dem Holocaust. Dazu gehört, dass die 41 Stolpersteine in Velbert von ihnen gereinigt werden. Durch eben diese Aktion kam Tobias Glittenberg mit der Schülergruppe in Kontakt. Der Velberter hatte herausgefunden, dass sein Großonkel Carl Kipper fälschlicherweise für schwachsinnig gehalten wurde, er fiel dem Euthanasieprogramm zum Opfer. Seit dem vergangenen Mai erinnert an der Neustraße 149 auf Tönisheide ein Stolperstein an dieses Schicksal.

In Neviges liegen diese kleinen Gedenktafeln des Künstlers Gunter Demnig an der Bernsaustraße, an der Elberfelder Straße und Zum Hasenkampsplatz 5. „Das ist ein bisschen abseits der Passantenströme und weniger bekannt“, so Tobias Glittenberg. Wenig ist über Klara und Bernhard Leib bekannt, die in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts geboren wurden und in der damaligen Gartenstraße lebten, bevor sie 1942 deportiert wurden. „Ich kann gar nicht sagen, ob es sich um ein Ehepaar oder um Schwester und Bruder handelt.“ Nun hat Glittenberg zusammen mit Christian Wagner die Gruppe „Zeitlos“ im Bergischen Geschichtsverein gegründet. Zusammen mit den Schülern der Gesamtschule Velbert-Mitte sollen Biografien zu den Namen auf den Stolpersteinen zusammengestellt werden.

„Je drei Schüler kümmern sich um eine Familie. Dazu gibt es Informationen vom Stadtarchiv, den Historikern Eduard Neumer, Frank Overhoff und meinem ehemaligen Kollegen Rainer Köster“, so Holger John, der das Projekt an der Gesamtschule leitet. „Dazu kommen Zeitzeugengespräche, die Schüler müssen die Fülle der Quellen sichten.“ Seit diesem Schuljahr hat die Kooperation mit „Zeitlos“ begonnen. „Es ist die letzte Gelegenheit, sich mit Zeitzeugen zu treffen“, weiß Tobias Glittenberg, der versucht, neben den Biografien Bildbestände zu erschließen. „Wir suchen Material für eine Digitalisierung der Stolpersteine. Wir wollen die Geschichten weitererzählen, wir wollen die Geschichte ,zeitlos’ machen“, so das Ziel der beiden Velberter. „Wenn die Älteren die Geschichten nicht erzählen, wissen die Jüngeren nicht Bescheid. Deshalb suchen wir Zeitzeugen, wollen Ton- und Videoaufnahmen machen.“

Die Jugendlichen aus dem Auschwitz-Projekt der Gesamtschule halten es für sehr wichtig, das Geschichte in Erinnerung bleibt. Maria Wormland, die sich für dieses Thema interessiert, weiß von ihren älteren Geschwistern, die bereits das Konzentrationslager erlebt hatten, dass ein solcher Besuch nicht einfach zu verkraften ist. „Ich glaube, man erhält andere Einblicke, eine solche Fahrt lohnt sich.“ Acelya Karablut, die mit der Christlichen Gesamtschule Bleibergquelle bereits das KZ Buchenwald bei Weimar besucht hatte, war tief beeindruckt: „Das war krass, das hat mich mitgenommen. Ich glaube nicht, dass ich privat nach Auschwitz fahren würde.“

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