Velbert: Ein Gesamtschul-Pionier geht in den Ruhestand

Gerd Schäfers hat die Gesamtschule Velbert seit ihrer Gründung 1986 aufgebaut und geleitet. Jetzt verabschiedet sich der engagierte Kämpfer für diese Schulform.

Velbert. Wenn sich Gerd Schäfers am 27. Februar in den vorzeitigen Ruhestand verabschiedet, hätte der Schulleiter der ersten Velberter Gesamtschule genug Gründe, sich auf eine schöne Zeit zu freuen: Die Enkel, das eigene Ferienhaus auf Kreta und vor allem viel Zeit, dies zu genießen. "Ich kann mir vorstellen, dass das Faulenzen viel Spaß macht", sagt er.

Doch wer den 63-Jährigen kennt, kann ihn sich nur schwer als müßigen Rentner vorstellen. Auch wenn die 17-jährige Hannah nonchalant sagt: "Er ist für mich wie ein Opa." Schnell fügt die Schülerin hinzu: "Aber das ist nicht böse gemeint. Er ist das Herz der Schule, und es ist schade, dass er geht."

Ein Schlaganfall und eine Herz-Operation zwingen Gerd Schäfers zu dem Schritt. "Es kann sein, dass ich in ein Loch falle, obwohl ich mich schon seit zwei Jahren damit beschäftige, dass meine Zeit als Schulleiter zu Ende geht", erzählt er in einem ruhigen Moment. "Ich sehe hier täglich mehr als 1500 Menschen. Das werde ich sehr vermissen. Die unglaublich belebende Atmosphäre wird mir sicherlich fehlen. Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass mich die Begegnungen mit den vielen Menschen hier zu dem gemacht haben, was ich bin."

Als er 1986 mit 13 Kollegen begann, die Gesamtschule aufzubauen, wusste keiner so recht, was ihn erwartet. "Ich war der Einzige mit Gesamtschulerfahrung", erinnert sich der 63-Jährige. "Die Anfangszeit war familiär und arbeitsreich. Wir hatten endlos viele Konferenzen, zum Teil bis in die Nacht. Es ging darum, einen Gesamtschul-Standard einzuführen, soliden Unterricht und Erziehungsarbeit abzusichern." Gegessen wurde bis zur Fertigstellung der Mensa (1988) im benachbarten Fliegerheim.

Jedes Jahr kamen fünf weitere Klassen hinzu, so dass 1996 - ein Jahr nach dem ersten Abitur-Jahrgang - ein Anbau die gestiegenen Platzbedürfnisse decken musste. Heute leitet Schäfers 100Lehrer und rund 1350 Schüler und sagt stolz: "Die Schule genießt hohes Ansehen und der Ansturm an Schülern wächst ungebrochen an. Das erfüllt mich mit Freude und Genugtuung."

Dabei hat der Gesamtschul-Pionier stets auch seine persönlichen Überzeugungen einfließen lassen. "Mir war es immer sehr wichtig, soziale Unterschiede nicht wirksam werden zu lassen. Alle sollten am Schulleben teilnehmen", sagt Schäfers, der mit dem Kollegium Zuschüsse für Mensageld und Klassenfahrten organisierte.

Ein weiteres Credo des scheidenden Rektors: "Als Einzelner kann man wenig bewirken." Und so suchte er Mitstreiter und Kooperationspartner, zunächst im Schulumfeld. "Die Eltern waren mit in den Fortbildungen. Sie sollten die Schule mitgestalten und nach außen vertreten", erläutert Schäfers den Ansatz, der bis heute erfolgreich praktiziert wird.

Wichtig war Schäfers auch, die Gesamtschule näher an die Wirtschaft heranzuführen. Daher hat er beim Arbeitgeberverband NRW den Arbeitskreis Gesamtschule-Wirtschaft mitgegründet und die Berufsorientierungsbörse, bei der sich potenzielle Arbeitgeber vorstellen, eingeführt.

Viele weitere Neuerungen hätte er gerne noch selbst federführend begleitet. "Zum Beispiel die Änderung des Zeitrasters, weg vom 45-Minuten-Rhythmus hin zu 60, 65 Minuten." Das muss nun Nachfolgerin Antje Häusler machen, die von der Schulkonferenz zur neuen Rektorin gewählt wurde.

Gerd Schäfers hat einige Ideen, wie er seine neu gewonnene Zeit einsetzen könnte: als Schöffe am Landgericht, im Bereich Schule-Wirtschaft auf Landesebene, beim Walken, im Garten, in der Werkstatt, am Fotoapparat oder der Gitarre. Außerdem gibt es noch die Dinge, für die bisher keine Zeit war: das Archivieren der selbst gefilmten Videos oder die Auswertung von 28 Schülerschicksalen und Lebenswegen beispielsweise.

"Vielleicht kümmere ich mich aber auch um Problemschüler oder werde pädagogischer Helfer und lese in der Schule vor." Denn eines ist für den scheidenden Rektor sicher: "Lehrer ist der schönste Beruf, den es gibt. Und viel wichtiger als Banker."

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