Tönisheide: Durch Arbeit zurück ins Leben

Schätzungen zufolge sind rund 4000 Menschen in Velbert suchtkrank. Im Zentrum für Arbeitsförderung und Beschäftigung (ZAB) finden sie Hilfe.

Tönisheide. Ob Alkohol, Rauschgift oder Tabletten - die Sucht endet oft im völligen Absturz: Das Leben ist zerstört, der Mensch hat Schaden an Leib und Seele genommen.

Wer es schafft, auszusteigen, steht vor der Herausforderung, in geordnete Bahnen zurückzufinden, soweit Körper und Geist das noch zulassen. Einen wichtigen Beitrag leistet das jetzt in Tönisheide eingeweihte Zentrum für Arbeitsförderung und Beschäftigung (ZAB): Dort werden Menschen, die den Ausstieg aus der Sucht bewältigt haben, schrittweise zurück in ein geregeltes Leben geführt.

Margit B. (Name von der Redaktion geändert) hat eine typische Alkohol-Karriere hinter sich. In den neunziger Jahren in der Gastronomie tätig, stand abends nach Dienstschluss regelmäßig das Glas Wein auf dem Tisch - "Belohnung für einen guten Tag", sagt die Niederbergerin.

Aus dem Glas wurde irgendwann ein Fläschchen, später zwei - ein schleichender Prozess, dessen Beginn sie zeitlich nicht festlegen kann. Dann der Umbruch: Trennung vom Partner, Verlust der Selbstständigkeit, Arbeitslosigkeit - als das Leben aus der Bahn schleudert, hilft der Griff zur Flasche, die Probleme zeitweise zu verdrängen.

"In der Krise wird der Alkohol schnell zum Mittel der Wahl", sagt Rainer Göring, Ergotherapeut und Leiter des ZAB. Der Konsument wiederum wolle nicht wahrhaben, dass er in der Sucht gefangen ist. "Man macht sich selber etwas vor", bestätigt Margit B. - anderen aber auch: Die 50-Jährige tut alles, damit die Außenwelt nichts von ihrer Abhängigkeit erfährt.

Im Kreise von Familie und Freunden hält sie sich mit Trinken ganz bewusst zurück, doch ohne Job, allein in ihrer Wohnung, ist der Alkohol ständiger Seelentröster. Mehrmals versucht sie, mit Entgiftungen und ambulanten Therapien, von der Sucht abzukommen - vergeblich.

Irgendwann ist ihr Körper völlig am Ende, sie liegt mehrere Tage im Koma: "Das war der Warnschuss", sagt Margit B., die sich danach einer Langzeittherapie unterzog. Seit 18 Monaten ist sie nun trocken, lebt in der eigenen Wohnung, unterstützt durch ambulantes betreutes Wohnen.

Seitdem das ZAB im Juni seine Arbeit aufnahm, arbeitet sie dort stundenweise, fertigt Broschen, Anhänger, Ketten aus Speckstein. Wichtig sind auch regelmäßige Kontakte, Austausch mit anderen Betroffenen, sinnvolles Ausfüllen der freien Zeit: "Meine Tagesstruktur habe ich schon ganz gut im Griff", sagt die 50-Jährige - nichts wäre schlimmer, als wieder in den alten Trott zu verfallen.

Mit dem Weg zurück in einen geregelten Tagesablauf kehrt auch das Selbstvertrauen wieder zurück, sagt Rainer Göring. Seiner Ansicht nach hat Margit B. gute Chancen, eines Tages wieder ein eigenständiges Leben zu führen - auch wenn die 50-Jährige selber noch Zweifel hat. "Sie hatte noch Glück, dass sie den Ausstieg fand", so der ZAB-Leiter.

Er kann sich vorstellen, dass seine Klientin in eineinhalb Jahren durchaus einen Job im ersten Arbeitsmarkt findet. Bei Verkaufsaktionen - das Zentrum veräußert seine Produkte selber - habe sie sich als echtes Talent im Umgang mit Menschen erwiesen. "Das wäre der richtige Job für sie."

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