Tafel-Mitarbeiter stoßen an Grenzen

Bis zu 100 Menschen kommen inzwischen zur Lebensmittelausgabe. Für die Ehrenamtlichen ist der Ansturm nur noch schwer zu stemmen.

Tafel-Mitarbeiter stoßen an Grenzen
Foto: Simone Bahrmann

Wülfrath. Lärm, Hektik, Geschiebe — bei der Lebensmittelausgabe der Tafel Niederberg an der Tiegenhöfer Straße arbeiten die rund 14 ehrenamtlichen Helfer seit einigen Wochen am Limit. „Bei uns heißt es nur noch: Der Montag ist der helle Wahnsinn“, berichtet Standortverantwortliche Hergard Fronober. Solch einen Ansturm wie in letzter Zeit, habe sie in ihren elf Jahren bei der Tafel noch nie erlebt. „Wir hatten im Schnitt immer rund 70 Leute, jetzt sind es ganz oft 100“, sagt die 74-Jährige.

Die engen Räumlichkeiten in der Ellenbeek seien für solche Massen nicht ausgelegt. Die Menschen stünden sehr eng beieinander, es komme zu Drängeleien und verbalem Schlagabtausch. Fronober: „Ich wundere mich, dass wir bislang unbeschadet davongekommen sind.“ Es käme schon öfters vor, dass auch mal jemand aggressiv werde. „Der ganze Lärm und die hektische Atmosphäre, das schaukelt sich dann einfach hoch.“

Die neuen Gesichter an der Ausgabestelle in der Ellenbeek sind die ersten anerkannten Flüchtlinge, die jetzt in vielen Fällen am Existenzminimum leben. Daraus ergibt sich für die Helfer eine zusätzliche Schwierigkeit. Frobober sagt: „Der Arbeitsablauf hat sich auch erschwert, weil wir viele Leute sprachlich gar nicht mehr erreichen.“ Zwei Gäste helfen inzwischen als Dolmetscher aus.

Ehrenamtler Wolfgang Ehrlich kann bestätigen, dass das Arbeitspensum spürbar zugenommen hat. Die angelieferte Ware sei allerdings in der Menge gleich geblieben. „Jetzt müssen wir manchmal kleinere Portionen machen, die Letzten bekommen dann nicht mehr so viel“, sagt der 68-Jährige.

Erschwerend komme noch hinzu, dass einige der neuen Gäste aus anderen Kulturkreisen das angebotene Brot nicht mögen. „Da trauen sich einige nicht heran.“ So richtet sich plötzlich der Fokus der Gäste auf Obst und Gemüse, während die Backwaren links liegen gelassen werden.

Durch die angespannte Situation geht auch noch eine ganz andere wertvolle Ressource zur Neige: die Energie der Helfer. Hergard Fronober merke für sich: „Es ist grenzwertig.“ Schon oft habe sie sich zuhause gedanklich damit auseinandergesetzt, wie es denn wäre, auszusteigen. „Aber das will ich ja gerade nicht“, sagt sie.

Dass sie mit der Belastung nicht alleine ist, wisse sie aus Gesprächen. „Wir haben Leute, denen ist die Erschöpfung deutlich anzusehen“, sagt die Leiterin. Aber: Zurückgezogen aus der Arbeit habe sich wegen der Probleme noch niemand.

Mit dem neuen Zustrom ist die Lebensmittelausgabe auch ein kleines Stück weit unpersönlicher geworden. „Früher hatten wir auch mal Zeit, etwas länger mit den Leuten zu reden oder wir haben Kochrezepte ausgetauscht“, erinnert sicht Fronober. Da habe man noch immer gesagt: Das ist die Tafelseelsorge! Gezwungenermaßen ist es jetzt wieder „nur noch“ eine Lebensmittelausgabe.

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