Ratinger Bürgermeisterkandidat Wiglow: „Ich bin kein Leisetreter“

Christian Wiglow geht für die SPD und die Grünen ins Rennen. Er will eine Politik mit Kompass.

Ratingen. Selbst wenn Christian Wiglow sich bemühte, könnte er seine alte Liebe nicht verhehlen. Säße er bei Wetten, dass..? und müsste ein Kandidat Berufe ihm wildfremder Menschen erraten, die Antwort wäre: Lehrer. Damit hätte der Kandidat seine Wette zwar verloren, denn Wiglow arbeitet als Abteilungsleiter bei der Düsseldorfer Arge.

Aber ganz fair wäre die Niederlage nicht. Wäre Wiglow nämlich nicht schon 1962 geboren, sondern ein paar Jährchen später, oder hätte er sein Romanistik- und Anglistik-Studium nicht schon nach acht Semestern abgeschlossen, dann wäre er wahrscheinlich jetzt Lehrer. "Damals gab es keine Stellen", sagt er. Also ist Wiglow beim Arbeitsamt gelandet. Im wahrsten Sinne.

Manches in seiner Stimme spricht dafür, dass ihm die Schule fehlt, dass er das Schicksal immer noch ein bisschen bedauert, das er seinerzeit mit tausenden anderen verhinderten Lehrern teilte. Wenn er dazu Zeit hat. Meistens hat er die nicht. Die Armbanduhr auf dem Tisch bestimmt den Rhythmus. Und in greifbarer Nähe liegt ein Ordner, damit Wiglow sich auf den nächsten Termin vorbereiten kann, wann immer es dazu die Gelegenheit gibt.

Der Sozialdemokrat ist bekannt und beim politischen Widersacher auch berüchtigt für messerscharfe Analysen und Argumentationsketten ohne schwache Glieder. Und wenn er etwa im Rat mit Worten zuschlägt, treibt es dem Gegner regelmäßig die Zornesröte ins Gesicht. Der nennt Wiglow unbeherrscht, bisweilen sogar unverschämt, auf jeden Fall aber unmöglich. Und wer Wiglow mit diesen Anwürfen konfrontiert, dem blinzelt aus dessen Mundwinkeln ein triumphierendes Lächeln zu. "Ich bin harmlos", sagt er. "Wenn ich mich aufrege, dann ist das Absicht."

Der 47 Jahre alte Ratinger ist politischer Multifunktionär. Er kandidiert für SPD und Grüne um das Bürgermeisteramt, er ist Vorsitzender der SPD-Fraktion im Stadtrat. Und dann hat er ja auch noch seinen Beruf, in dem nach eigenen Angaben er jedes Jahr 55 Millionen Euro für Wiedereingliederungshilfen von Hartz IV-Empfängern verantwortet.

In Ratingen verantwortet Wiglow die SPD. Er ist Stimme und Gesicht der Sozialdemokraten, die in dieser bürgerlichen Stadt seit Dekaden kaum ein Bein auf den Boden bekommen. Oder doch? So könne man das nun auch nicht sagen, meint Wiglow. Und schon klingt sein Tonfall wieder ein bisschen nach Lehrer, der seinen Schülern geduldig, aber mit Nachdruck die Wahrheit beibringen will. "In Ratingen Ost hatte ich selbst ein gutes Ergebnis", erklärt er dann. "Aber in Hösel holen wir natürlich nicht viel." Die SPD habe in den vergangenen fünf Jahren mehr Akzente gesetzt als je zuvor,

Wie die Kräfteverhältnisse in seiner Heimatstadt sind, weiß ehemalige Juso-Vorsitzende dennoch nun schon seit mindestens 25 Jahren. So lange macht er Kommunalpolitik. Und das nach eigenem Bekunden mit einer Leidenschaft, der auch noch so viele Wahlniederlagen nichts anhaben kann. Er glaubt vielmehr weiter daran, dass mit sozialdemokratischer Politik in dieser Stadt Staat zu machen ist. Wobei die Betonung sowohl auf "sozial" als auch auf "demokratisch" liegt. Wiglow wirbt für mehr Bürgerbeteiligung und um einen Sozialtarif bei den Stadtwerken. "Wir haben hier auch Leute, die nicht so reich sind."

Diese Erkenntnis spricht der Kandidat dem Amtsinhaber und der Bürger-Union ab. Dabei verbindet ihn mit Harald Birkenkamp etwas. "Er ist Diplom-Verwaltungswirt wie ich", sagt Wiglow. Das wär’s dann aber schon mit den Gemeinsamkeiten.

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