Ratingens Top-Lagen können sich nur die Großen leisten

Einzelhandel: Das Mittelstandssterben in der Fußgängerzone geht weiter. Die Stadt mahnt die Vermieter zur Mäßigung.

Ratingen. Buchhändlerin Marlene Lehr liegen die Feiertage noch schwer im Magen. Ausgerechnet zu Heiligabend musste sie ihren Laden in der Oberstraße schließen, das hat sie noch nicht verdaut. "Die Kosten in der guten Lage sind nicht mehr tragbar", resümiert sie. Anderthalb Jahre hat sie gegen steigende Mieten und die neue Konkurrenz des Filialisten Weltbild angekämpft, dann war Schluss. Nach 18 Jahren.

Seitdem stehen Passanten vor den leeren Fenstern und unken, ob dort wohl ein weiteres Handy-Geschäft eröffnen werde. Sie liegen fast richtig. Nach WZ-Informationen soll der Telefonanbieter Arcor die Räume gemietet haben. "Das ist schon irgendwie eine Katastrophe", kommentiert Reiner Heinz von der Ratinger Wirtschaftsförderung spontan. Auch er sieht die Gefahr, dass die Innenstadt unter der Monotonie der großen Ketten leiden könnte. "Wenn die Angebote uniform sind, hat die Stadt kaum noch Alleinstellungsmerkmale." Die Schuld dafür sieht er aber nicht bei den Filialisten, die bereit sind, die anstandslos exorbitante Mieten zahlen.

Es sind eher die Eigentümer, von denen er sich etwas mehr Feinsinn wünscht. Die Stadt hat sich deshalb sogar schon mit den Vermietern getroffen und sie zu sensibilisieren versucht. Die Botschaft: "Nicht immer an der Mietschraube drehen und den erstbesten Filialisten nehmen." Lieber langfristig die ortsüblichen 35 bis 40 Euro pro Quadratmeter in der Spitzenlage kassieren, statt auf 50 Euro zu spekulieren, die nur eine Konzern zahlen kann, der sich dem Standort nicht verbunden fühlt. Das macht sich spätestens bei Aktionen wie den Lichterwochen bemerkbar, die im Wesentlichen von den heimischen Geschäftsleuten getragen werden. Heinz: "Die meisten Filialisten sind da nur Trittbrettfahrer."

Einer, der die Verhältnisse in der Fußgängerzone gut kennt, ist Werner Kleine, Inhaber von Stuke Schuhmoden und bis vor zwei Jahren ebenfalls in der Oberstraße vertreten. "Als Mittelständler haben Sie keine Chance in der Innenstadtlage", stellt er fest, "die kleinen Läden wird es in dieser Form in zehn Jahren kaum noch geben."

Reiner Heinz spricht da lieber von einem "Branchenmix", den er sich für die Innenstadt wünscht. Damit dieses Nebeneinander von Großen und Kleinen gelingt, soll es aber nicht nur bei den mahnenden Worten an die Eigentümer bleiben. Er setzt auch auf die Ratingen Marketing GmbH, deren Geschäftsführung er ab Februar an Frank Rehmann übergibt und die das Zentrum mit Aktionen beleben soll. Außerdem kann die Stadt Einfluss über ihre eigenen Immobilien nehmen, wie etwa die beiden Topadressen am Marktplatz, in denen sich am liebsten Textilhandel niederlassen soll.

Flächen In der Region Düsseldorf, zu der auch Ratingen zählt, stehen 950 000 Quadratmeter Gewerbefläche frei, das sind elf Prozent des Gesamtbestandes. In Ratingen ist die Quote mit knapp zehn Prozent etwas günstiger.

Mieten Laut Industrie- und Handelskammer kostet der Quadratmeter Bürofläche je nach Lage 5,50 bis 11,50 Euro plus Nebenkosten. Lager- und Produktionsflächen 2,50 bis 5,50 Euro, Ladenlokale zwischen 7,50 und 50 Euro.

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