Ratingens jecke Farbenlehre

Die Roten haben’s nicht so damit, die Schwarzen lieben ihn, den Grünen ist er nicht ganz grün und die Blaugelben mischen fest mit.

Ratingen. Sie haben es doch schon immer gewusst: Die Sozis sind Spaßbremsen, die Schwatten lieben Karneval, weil sie in ihren Vereinen und Garden herrlich klüngeln können, die Liberalen sind - wenn bürgerlich-konservativ orientiert - gleichermaßen dabei.

Für die Grünen ist der organisierte Frohsinn ein chauvinistisch-patriarchalisches Überbleibsel aus zu überwindenden Zeiten. Karneval muss - wenn überhaupt - dann ethisch-ethnisch korrekt begangenen werden. So weit die Vorurteile.

Aber Hand aufs Herz: Kennen Sie einen Sozialdemokraten, der aktives Mitglied in einer Karnevalsgesellschaft ist? Gut, einen. Aber fünf, oder gar zehn?

Bei den Christdemokraten fallen einem gleich Dutzende ein, die in den Frohsinnsvereinen Beiträge zahlen, mit Ehrentiteln und -orden ausstaffiert wurden und mit Stolz ihre Uniformen mit blinkenden Knöpfen und Tressen tragen.

Warum das so ist? "Eine spannende Frage", antwortet Joachim Galinke, früherer Fraktionsvorsitzender der SPD. Er sei förderndes, nicht aktives Mitglied in der Anger Garde.

"Ich glaube, das organisierte Brauchtum liegt uns nicht so", versucht er eine Erklärung und ergänzt sofort: "Spaß haben wir aber auch!" Vize-Bürgermeisterin Anne Korzonnek sei wahrscheinlich Mitglied der Homberger Feetz, Ratsfrau Rosa-Maria Kaleja geht seit Jahren für die SPD bei der närrischen Ratssitzung in die Bütt, und - ach ja, - SPD-Dezernent Dirk Tratzig ist aktives Mitglied bei Rot-Wiss.

Tratzig, der Alibi-Jeck der Genossen? "So sehe ich das nicht, das macht einfach Spaß." Weder in Dortmund noch in Wuppertal habe es Karneval gegeben, hier sei das anders.

"Ich habe auch erst lernen müssen, dass es Session und nicht Saison heißt, und dass Rot-Wiss nicht Rot-Weiß ist", lacht er. Ist er ein Exot in seiner Partei? Vielleicht habe die SPD schon immer ein Misstrauen gegen straffe Organisationen?, fragt er zurück.

Da fällt noch ein Gegenbeispiel ein: Hans Kraft, ein Karnevalist mit Leib und (bürgerlicher) Seele. Andererseits: Leo Baum, Vorsitzender von Rot-Wiss, war früher in der SPD, wurde womöglich wegen seiner jecken Ader ausgegrenzt und trat dann aus der Partei aus.

Grüne und Karneval? Für viele passt das nicht zusammen. "Ich habe nichts gegen Karneval, aber die Sitzungen sind nicht so mein Fall", gibt Fraktionsvorsitzende Susanne Stocks ehrlich zu. Dagegen sei die "Stunksitzung" Pflicht.

"Da gehe ich immer hin. Das ist intelligentes, karnevalistisches Kabarett." Außerdem: Was könne man im organisierten Karneval sein: Uniformträger oder Tanzmariechen. Gibt’s Parteifreunde in Karnevalgesellschaften? Da musste Stocks passen.

Dagegen sind die Liberalen aus einem jecken Holz geschnitzt. Urgestein Horst Becker ist Mitglied bei Rot-Wiss und Blau-Rot, war auch mal bei Blau-Weiß dabei, ist mit Ehrenorden und -titeln wohl versorgt. Und damit steht Becker in seiner Partei nicht allein: Detlef Parr, Bundestagsabgeordneter der FDP, ist bei den Spiesratzen aktiv, Günter Vogel war jahrelang Hoppeditz und im Vorstand des Karnevalsausschusses, Gero Keusen war im Vorjahr sogar Prinz.

CDU und Karneval - das isses! In keiner Partei gibt es so viele aktive und organisierte Narren. am Donnerstag beim Rathaussturm kann man sich davon überzeugen: Da sieht man wieder die Ratsherren Matyssek und Schneider mit ihren schmucken blau-weißen Uniformen oder Andreas Dick im rot-weißen Edeldress.

Den trägt auch Karl-Heinz-Jörgens, doch der ist ja nicht mehr in der CDU, aber das ist eine andere Geschichte! Dafür ist Fraktionschef Ewald Vielhaus Ehrensenator bei Rot-Wiss. Er stand vor zwei Jahren in der Bütt und fährt beim Rosenmontagszug im CDU-Wagen mit. Ansonsten hält sich sein Spaßengagement in Grenzen.

Dafür verkörpert Hanno Paas die Symbiose von CDU und Karneval in Reinform: Mitglied in allen großen Gesellschaften, Ex-Prinz, Ehrenvorsitzender des Karnevalsausschusses und vieles mehr. Gab es je einen SPD-Prinz? "Mir fällt keiner ein", sagt er nach langem Nachdenken.

Und die Bürger Union? Als CDU-Spross müsste das jecke Brauchtum dort ebenfalls fest verankert sein. Parteichef Paul Feldhoff kommt allerdings ins Grübeln, weil ihm in der Parteiführung niemand einfällt, der irgendwo närrisch organisiert ist. "Klar, sind BU-Mitglieder auch in den Gesellschaften und wir haben auch alle unseren Spaß", versucht er ein närrisches Defizit zu kaschieren.

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