Ratingen: Im Sattel quer durch Amerika

Jürgen Schmagold radelte 5275 Kilometer in 37Tagen: Traumhafte Landschaften, Einsamkeit und Indianer inklusive.

Ratingen. Normalbürger entspannen sich im Urlaub, liegen am Pool, wandern, lesen. Jürgen Schmagold nicht: Er ist in 37 Tagen 5275 Kilometer gefahren - im Schnitt 146 am Tag. Er hat dabei fast 25000 Höhenmeter überwunden und ständig 25 Kilo Gepäck mit sich geschleppt. Jürgen Schmagold radelte allein von Vancouver nach Boston - einmal quer über den nordamerikanischen Kontinent.

Gut acht Stunden saß der 55-Jährige täglich im Sattel. Die längste Tagesetappe dauerte gar neuneinhalb Stunden. Die ersten tausend Kilometer allerdings mit Schmerzen: "Der nagelneue Ledersattel war zwar sehr edel, er brauchte aber eine Woche, um sich an mich zu gewöhnen", schmunzelt Schmagold rückblickend. Deshalb sei er anfangs oft im Stehen gefahren.

Und nur einmal legte er einen Ruhetag auf seinem langen Trip ein. In Nord-Dakota hatte er trotz peitschenden Regens und Seitenwind in zwei Tagen 400 Kilometer gestrampelt. Als am dritten Tag der Wind direkt von vorn kam, musste Schmagold seinen ganzen Willen aufbringen, um nicht aufzugeben. Nach dem Ruhetag herrschte zwar wieder starker Gegenwind, doch das größere Problem kam noch: "Das abends angesteuerte Motel war komplett ausgebucht, das nächste 20 Meilen entfernt." So musste er erstmals Zelt, Isomatte und Schlafsack aus den Gepäcktaschen holen. Und es kam noch schlimmer. "In der Nacht kamen schwere gewitterstürme und in kürzester Zeit stand das Zelt knöcheltief unter Wasser." Den Rest der Nacht verbrachte Schmagold halb sitzend auf einer Holzpritsche im Duschraum.

Dafür hatten ihn die Tage davor schon mehr als entschädigt: die traumhafte Kulisse der Rocky Moutains mit ihrer einzigartigen Berg- und Seenlandschaft. Die befürchteten Begegnungen mit wilden Tieren blieben aber aus. "Das erste Tier, das ich nach zehn Tagen getroffen habe, war ein Eichhörnchen."

Weites Land und Langeweile kennzeichnete die Fahrt durch Montana, wo angeblich mehr Rinder als Menschen leben sollen. Die flache, prärieartige Landschaft bescherte Schmagold zwar zügiges Fortkommen, aber auch Eintönigkeit. Eine Abwechslung war eine kurze Begegnung mit drei älteren Indianern, die ihm eine Handvoll Sand und Steine gaben und etwas von "Manitou" murmelten. "Das Elend, in dem die Ureinwohner leben, hat mich aber nachdenklich gemacht." Auch als er in Michigan einen offenbar "falschen Eingang" zu einer Kleinstadt gewählt hatte und kilometerweit nur durch Slums gefahren war. Schmagold: "Das Motel war dann das Schlimmste, was man sich vorstellen kann." Nicht nur hier, sondern bei jeder Übernachtung, nahm er das Fahrrad mit ins Zimmer - sicher ist sicher.

Da konnten ihn vier Reifenpannen an einem Tag (sieben insgesamt) auch nicht mehr umwerfen. Werkzeug hatte er genügend dabei, aber auch Elektronik: Statt auf Landkarten verließ sich Jürgen Schmagold erstmals auf ein Navi am Lenker - mit amerikanischen Kartenmmaterial. Das Satellitenhandy, das er "für alle Fälle" als Alleinradler mitgenommen hatte, kam nur einmal zum Einsatz. In Kanada kam ihm ein Radler entgegen, man begrüßte sich: " Es war ein Frührentner aus Göttingen, der die gleiche Strecke in Gegenrichtung fuhr."

Für Schmagold ist klar: Das war nicht die letzte große Tour. Im Vorjahr radelte er fast 5800 Kilometer von New York nach San Franciso, die nächste Route steht aber noch nicht fest.

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