Ratingen: Erfrischende Oase der Unweihnachtlichkeitin der Kulturkneipe

Ratinger Autoren lasen am Sonntag im Lux „Von Weckmännern und Backpfeifen“.

Ratingen. Es weihnachtet schwer in Deutschland, höchste Zeit für die Autoren des Literaturkreises Era, bei ihrer traditionellen Weihnachtslesung in der Kulturkneipe dem Festtagstaumel auf den Zahn zu fühlen. Mal kritisch, mal satirisch, ironisch oder gar drastisch bösartig wurden Weihnachtsfreuden auf den Kopf gestellt.

Dass die potentiellen Besucher am Sonntag aber offenbar selber bis über beide Ohren im Adventsstress steckten und sich nicht so zahlreich blicken ließen, träufelte etwas Wermut in die Oase der Unweihnachtlichkeit.

"Von Weckmännern und Backpfeifen" handelten die Texte laut Titel der Veranstaltung, und der versprach keineswegs zuviel: Geradezu programmatisch war die Lesung von Erwin Wuillemet, der aus seinen Kindheitserinnerungen "Der Bruder an meiner Brust" las.

"Ich werde Sie in das vorige Jahrhundert zurück versetzen", versprach der ewige Schelm und eroberte das Publikum blitzschnell mit einem heftig-deftigen Kapitel aus einer keineswegs guten alten Zeit, in der Kinder noch mit dem Kochlöffel erzogen wurden.

Einen Schritt weiter ging Joachim Harms: In seinem bösen Gedicht "Klein Frieda und Weihnachten" muss die ganze harmoniesüchtige Familie durch die Hand des Christkindes den Löffel abgeben.

Gisela Schöttler hingegen stellte den schönen Brauch in Frage, unter dem vermeintlichen Mantel der Anonymität ausschließlich unbrauchbaren Krempel beim Wichteln zu entsorgen. "Leider habe ich nicht einmal einen Ofen, in dem ich das Zeug verheizen könnte", bedauerte die wiederholt wichtelgeschädigte Autorin.

Versöhnlicher ging es in der Geschichte von Stephanie Phillip zu, in der ein Junge aus gutem Hause im Vorweihnachtsstress auf einen Obdachlosen trifft, der sich von all dem Trubel nicht aus der Ruhe bringen lässt. Ohne moralischen Zeigefinger öffnete sie eine andere Sichtweise und überzeugte damit sogar die Redaktion der Obdachlosenzeitung "FiftyFifty", die den Text abdruckte.

Uli West rundete den Reigen ab, indem er auf dem hörbar verstimmten Klavier bekannte Weihnachtsmelodien in überraschenden Versionen spielte - als Boogie Woogie, Rock’n’Roll oder einfach mal in Moll. So klang "Oh du Fröhliche" plötzlich wie ein Trauermarsch.

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