Ratingen: Erdwärme - Energie aus Ratingens Unterwelt

Die Bauarbeiten für den neuen DKV-Sitz im Ratinger Osten laufen. Das Unternehmen setzt dabei voll auf Erdwärme.

Ratingen. "Nein, nein - so etwas kann nicht passieren", schüttelt Peter Ropertz den Kopf. "Es gibt weder Hohlräume, noch wurde hier Bergbau betrieben. Außerdem ist der Boden aus hartem Kalkstein. Der hält und ist stabil."

Der Star-Architekt, der schon Esprit ein Gesicht gab, wird in jüngster Zeit häufiger mit dieser Frage konfrontiert - und wundert sich nicht wirklich darüber. Schließlich hat er die Oberaufsicht über eine der größten Baustellen in Ratingen.

Und beim Thema "Baustelle" beschleicht die Leute halt ein ungutes Gefühl. Spätestens seit dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs Anfang März und den Schäden infolge einer Erdwärme-Bohrung in Kamen, als vor einem Monat ein Einfamilienhaus einzustürzen drohte.

Mit Erdwärme und damit einhergehenden Bohrungen bis in eine Tiefe von 120 Metern hat man auf der DKV-Baustelle an der Balcke-Dürr-Allee ebenfalls zu tun. Doch während der Bauherr im Ruhrgebiet die Bodenbeschaffenheit offenbar außer Acht gelassen hatte, wurden in Ratingen ausführliche Probebohrungen veranlasst und der Geologische Landesdienst eingeschaltet.

"Welche Felsformen liegen da unten? Welche geothermischen Verhältnisse finden wir vor? Welches Energiepotenzial steckt hinter den Erdschichten? All diese Fragen haben wir beantwortet und sind zu dem Ergebnis gekommen: Das passt, und es lohnt sich", sagt Ropertz.

Quasi einen Steinwurf von den ersten Wiesen und Feldern von Homberg und dem Schwarzbachtal entfernt, entsteht nicht nur ein milliardenschweres Unternehmen, das geschätzte sechs Millionen Euro Gewerbesteuer im Schlepptau hat, sondern vor allem eines mit einem Öko-Siegel.

Erdwärme, Solartechnik, grünes Dach, Brauchwassernutzung, Mini-Blockheizkraftwerk - das Vokabular, das Architekt Ropertz im Zusammenhang mit DKV gebraucht, lässt das Herz eines jeden Umweltschützers höher schlagen.

Der erste Part beginnt laut Zeitplan am 24. August. Dann werden die ersten von insgesamt 35Löchern zur Gewinnung von Erdwärme gebohrt. "Wenn hier oben erst mal alles abgetragen ist, kann’s losgehen", zeigt Peter Ropertz auf die beiden Bagger, die sich derzeit noch durch die lehmige Oberfläche schaufeln und pro Tag 50 schwere Lkw beladen. Sechs bis acht Meter tief, bis zum Grund der geplanten Tiefgarage, wird gebuddelt, dann geht es per Spezialbohrer und Sonden "ans Eingemachte".

"Die Felsen dort unten sind mit einer Batterie zu vergleichen, die erst auf- und dann wieder entladen wird", erklärt der Architekt. Die Sonden entzögen dem Boden im Sommer Kälte, im Winter Wärme. "Oder nehmen Sie einen Altbau", fällt Peter Ropertz ein anderer Vergleich ein. "Der speichert im Sommer die Kühle viel besser als ein Neubau. Im Winter ist es umgekehrt, weil die dicken Wände ein hervorragender Isolierer sind."

Was dieser ganze Aufwand kostet, vermochte Ropertz zwar noch nicht zu beziffern. Aber fest steht für ihn, "dass es sich auf Dauer rechnet". Insgesamt lässt sich DKV, dessen Abkürzung "Deutscher Kraftverkehr" bedeutet und nicht mit der gleichnamigen Krankenkasse zu verwechseln ist, das Projekt 30 Millionen Euro kosten.

Vis-à-vis zu Coca-Cola und Nokia, die ebenfalls an der Balcke-Dürr-Allee bauen, ist der europaweit führende Anbieter für Tank- und Servicekarten mittlerweile der dritte Weltkonzern im Ratinger Osten.

Bisher leiteten die DKV-Manager ihre Geschäfte von Düsseldorf aus, doch in der Landeshauptstadt wurde es zu eng. 10.300 Quadratmeter auf fünf Etagen werden es dagegen beim Einzug Ende 2010 sein - ab dann werden die weltweiten Fäden in Ratingen gezogen.

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