Ratingen: Blumendrogen im Zoch verteilt

Samen der Trichterwinde ergeben Blüten oder Halluzinationen. Wer die Tütchen mit welcher Absicht verteilt hat, ist unklar.

Ratingen. Unter der Vielfalt des Wurfmaterials beim Rosenmontagszug gab es auch Teile, die bei den Fängern eine gewisse Ratlosigkeit auslösten: "Was soll ich denn damit?", war noch die ahnungsloseste Reaktion. Andere freuten sich, wiederum andere waren wegen ihrer Beute schier aus dem Häuschen.

"Grandpa Ott" stand auf dem kleinen Papiertütchen, das in Massen unters jecke Volk geworfen wurde. Doch der "Großvater" hatte es in sich: Das Tütchen enthielt Samenkörner für die Trichterwinde, eine prächtig blühende Kletterpflanze. In einschlägigen Szenen wird das Saatgut allerdings weniger für blühende Gärten benutzt, sondern vor allem um sich ins Reich wild wuchernder Träume zu befördern.

Die Trichterwinde stammt aus Mittelamerika und wurde dort seit Urzeiten als Halluzinogen für Wahrsage- und andere Rituale verwendet. Die Samen enthalten neben verschiedenen Alkaloiden auch Lysergsäureamid, das der Droge LSD sehr ähnlich ist - auch in der Wirkung: Die Einnahme der Samen verursacht Halluzinationen und einen mehrstündigen Rausch.

Aber auch ein Zustand, der einer Hypnose ähnelt, kann hervorgerufen werden. Dass die Winde als Rauschdroge keinesfalls ein Exot ist, zeigen zahlreiche Internetforen, wo es einen regen Informationsaustausch über Rauscherfahrungen und Zubereitungsweise gibt.

Wer die Samentütchen unter die Jecken geworfen hat, ist unklar. Ebenso, ob dies mit Hintergedanken geschehen ist. Beim Lieferanten, der Versandgärtnerei Pötschke in Kaarst, war man jedenfalls ahnungslos und völlig überrascht wegen der vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten von "Grandpa Ott". "Die Samentütchen sind Werbematerial, das wir schon seit Jahren zu Karneval abgeben", erklärte Ilona Steffen, Leiterin des Kundencenters.

Verteilt würden jedes Jahr andere Sämereien - mal Schleierkraut, mal Kresse-Samen. Dass die Trichterwinde nicht nur Gärten verschönert, sondern auch als Droge konsumiert werden kann, wusste man nicht. "Da mussten wir erst einmal schlucken", räumte Bernd Brodeßer von der Pötschke-Geschäftsführung ein. Künftig werde man die Warenbewegungen im Haus strenger überwachen und genauer kontrollieren, wenn größere Mengen bestimmter Samen bestellt werden.

Bei der Landjugend, die im Rosenmontagszug immer für einen Gag zu haben ist, weiß man nichts von Samentütchen. "Wir haben nur Süßigkeiten geworfen", sagt Mark Meiswinkel von der Ratinger Landjugend. Die Hubbelrather hätten als Besonderheit lediglich Kartoffeln unters Volk gebracht, teilte Vorsitzender Julius Brien auf Anfrage mit.

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