Ratingen: Alles was Recht ist - Ein Richter liest für Grundschüler

Ratinger Schüler lernen beim bundesweiten Vorlesetag, auf ihr Gewissen zu hören.

Ratingen. Eigentlich hatte Charlotte das Handy ihres Klassenkameraden Moritz gar nicht einstecken wollen. Aber irgendwie ging alles so schnell, da landete es einfach in ihrem Schultornister. So verlockend hatte das Handy da gelegen, mit seinem schwarzen Gehäuse verziert mit Rennautos und den 20 verschiedenen Klingeltönen.

Jetzt quält Charlotte das schlechte Gewissen. Die Kinder im Medienzentrum lauschen gespannt der Geschichte. Kein Räuspern, kein Rascheln, kein Getuschel. Schließlich ist es ein echter Richter, der das Buch über Charlotte, Moritz und das gestohlene Handy vorliest. Und den sieht man nicht alle Tage.

"Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie häufig ich im Alltag mit genau solchen Fällen zu tun habe", plaudert Lothar Genter, Direktor des Ratinger Amtsgerichts, drauf los. Nicht nur für die Kinder der Minoritenschule ist der Besuch am Vorlesetag etwas ganz Besonderes: Genter ist zum ersten Mal dabei. "Die Geschichte über Charlotte und Moritz macht den Unterschied zwischen Recht und Unrecht deutlich, zwischen Gut und Böse", sagt er.

Gerade das sei es, das Kinder schon in jungen Jahren lernen sollten. Im Alltag erlebe er immer wieder, dass Menschen, je älter sie werden, immer unehrlicher werden. "Es ist wichtig, auf das eigene Gewissen zu hören. Das sagt euch schon, ob ihr richtig handelt", sagt Genter. Sandra (10) und Nicole (9) aus der vierten Klasse wissen ganz genau, wovon der Mann im braunen Sakko spricht.

Auch sie fühlten schon einmal richtig schlecht: "Ich bin mal abends in die Küche geschlichen, um etwas Süßes zu naschen, obwohl es schon viel zu spät war und meine Mutter es mir verboten hatte", gesteht Sandra zögerlich. "Da hatte ich richtige Bauschschmerzen." Nachdem sie es am nächsten Tag ihrer Mutter gebeichtet hatte, sei es ihr schon viel besser gegangen. Auch in der Geschichte von Kinderbuchautor Wolfram Hänel erleichtert Protagonistin Charlotte ihr Gewissen und gibt das Handy zurück.

"Ich erlebe das jeden Mittwoch und Freitag vor Gericht. Junge Leute wurden von anderen angeschwärzt, ein Handy geklaut zu haben. Und wir Richter müssen dann entscheiden, wer die Wahrheit sagt. Bevor ein Unschuldiger verdächtigt wird, sollte man die Tat lieber selbst zugeben", sagt Genter. Am besten allerdings sei es, Unrechtes gar nicht erst zu begehen.

Die Kinder sind beeindruckt. Bis zum letzten Wort der Geschichte hängen sie an den Lippen des Richters. Die Leiterin der Kinder- und Jugendbibliothek Sabine Köchling kennt das bereits. Zum vierten Mal veranstaltet sie den Vorlesetag. Die Kinder seien immer sehr konzentriert.

"Wir haben darauf geachtet, dass Männer den Kindern vorlesen. Gerade für Jungs ist das wichtig. Sie bekommen meist nur von Frauen vorgelesen, von der Mutter, der Lehrerin oder der Kindergärtnerin", sagt Köchling. Beim alljährlichen Vorlesetag seien es Polizisten, Feuerwehrmänner, Politiker - und nun auch ein Richter. Polizist Peter Kohl reicht in diesem Jahr während seiner Lesung sogar echte Handschellen herum. So spannend kann Vorlesen sein.

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