Neviges : Die fürchterliche Nazi-Ernte
Neviges Ursprünglich wollte Rainer Köster sein Buch über Widerstand und Verfolgung in Neviges am 8. Mai vorstellen, dem Tag an dem 1945 der Zweite Weltkrieg endete. Corona verzögerte die Fertigstellung, als neuen Termin fasste der pensionierte Gesamtschullehrer den 1. September ins Auge, an dem vor 81 Jahren der Zweite Weltkrieg begann.
„Leider kam es zu weiteren Verzögerungen, so dass ich heute noch kein fertiges Buch präsentieren kann, es wird in rund zwei Wochen erscheinen“, entschuldigte sich der Politiker der Linken, der als Landrat für den Kreis Mettmann kandidiert. „Ich hätte das Ganze auch professionell durch einen Verlag drucken lassen können, dann wäre es allerdings teurer geworden. Ich möchte den Preis niedrig halten, damit sich das Buch auch junge Leute kaufen können“, so der Wunsch des Historikers.
Immerhin konnte er im Awo-Treff den Umschlag präsentieren. Unter dem aus Sensen geformten Hakenkreuz ist ein historisches Foto von 1933 mit einem Erntedankzug auf der Wilhelmstraße abgebildet. Welche Ernte die Nazis nach zwölf Jahren einfuhren, wird auf dem Bild auf der Rückseite deutlich, das die zerstörte Klosterstraße zeigt. Einen Tag vor Kriegsende wurde Neviges noch durch Artillerie beschossen, weil Halbwüchsige als Werwölfe und alte Männer als Volksturm den US-Vormarsch stoppen sollten.
Rainer Köster schilderte auch die Situation nach dem Ersten Weltkrieg, als Neviges mit dessen Folgekosten zu kämpfen hatte, unter anderem durch die Versorgung von heimkehrenden und zum Teil verwundeten Soldaten von der Westfront. Hinzu kamen die Opfer durch den Futterrübenwinter: „Es gab eine ganze Generation von Kindern mit O-Beinen wegen Vitaminmangels.“ Weil die Reparationen nicht geleistet wurden, wurde das Rheinland und Ruhrgebiet durch Franzosen und Belgier besetzt, darunter waren farbige Besatzer. „Die Leute wurden aufgeputscht, weil es untragbar sei, sich von denen etwas vormachen zu lassen.“ Die Lebensverhältnisse der Nevigeser waren teilweise erbärmlich. „Bevor ein Stück Seife gekauft wurde, besorgte man sich lieber etwas zu essen. So kam es 1925 zu einer Typhusepedemie. Die enge Bebauung begünstigte den Ausbruch. Man versuchte dem durch Versammlungsverbote zu begegnen, da gab es Parallelen zur heutigen Situation. Die Epidemie endete 1929, nachdem eine Kanalisation angelegt und etliche Gebäude abgerissen wurden“, führte der Autor aus.