Wülfrath Knorr-Bremse kündigt Schließung 2020 an

Wülfrath · Katastrophe, Schock, Hammer – das waren gestern die Reaktionen quer durch Belegschaft, Politik, Verwaltung und Gewerkschaft, als die Nachricht bekannt wurde. Der Betriebsrat will um die Arbeitsplätze kämpfen. Hoffnung auf ein Kompetenzzentrum.

 Die Beschäftigten machen sich mit vielen Begleitern auf den Weg zum Heumarkt.

Die Beschäftigten machen sich mit vielen Begleitern auf den Weg zum Heumarkt.

Foto: Fries, Stefan (fri)

. „Der Vorstand der Knorr-Bremse AG hat gestern beschlossen, die Produktion von Lenksystemen der Knorr-Bremse Steering Systems GmbH am Standort Wülfrath bis zum Jahr 2020 einzustellen.“ Diese Pressemitteilung schlug gestern in der Kalkstadt ein wie eine Bombe. Der Betriebsrat und die Gewerkschaft IG Metall hatten an diesem Tag zu einem Protestmarsch mit Kundgebung auf dem Heumarkt geladen, um für den Erhalt der 358 Arbeitsplätze zu kämpfen. Der Protestmarsch mit hunderten Teilnehmern fand trotzdem statt, allerdings unter anderen Vorzeichen.

Der Standort-Geschäftsführer der Knorr-Bremse Steering Systems GmbH, Rainer Hartmann, meldete sich in einer Stellungnahme so zu Wort: „In den nun folgenden Monaten des Umbaus unserer Geschäftsbeziehungen am Standort Wülfrath bemühen wir uns um eine enge Abstimmung mit Betriebsrat und Belegschaft, mit unseren Kunden, Lieferanten und Geschäftspartnern. Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht, doch nach der intensiven Analyse aller Szenarien mussten wir leider diese unternehmerische Entscheidung treffen, die Produktion zu schließen. Ob das Engineering-Center in Wülfrath verbleiben kann, können wir nicht versprechen. Da mit dem Auslaufen der Produktion am hiesigen Standort die Gebäudesituation nicht mehr zum Business Case passt, müssen wir momentan von einem Umzug ausgehen.“

„Wir werden trotzdem weiter um den Standort kämpfen“, sagte der Betriebsratsvorsitzende, Ahmet Yildiz im Gespräch mit der WZ. Er erinnerte an Schließungsabsichten eines Knorr-Bremse-Tochterunternehmens 2017 in Berlin. „Sie haben ein dreiviertel Jahr mit Erfolg gekämpft.“ Nachsatz: „Wir stehen für eine Abwicklung nicht zur Verfügung.“ Ein Mitarbeiter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, erklärte: „Jetzt ist die Katze aus dem Sack. Die Kollegen haben damit gerechnet, aber dennoch auf den Erhalt ihrer Arbeitsplätze gehofft.“ Eine Kollegin ergänzte: „Es hätte auch sein können, dass die Produktion umstrukturiert und die Entwicklung ausgebaut wird.“

Die Belegschaft des Automobilzulieferers erfuhr breite Unterstützung aus Politik und Verwaltung. Bürgermeisterin Claudia Panke sagte: „Knorr-Bremse ist für Wülfrath wie Opel für Bochum oder Nokia für Helsinki“, und verglich damit die Folgen der damaligen Schließungen der Werke mit denen, die auf Wülfrath zukommen würden. Bei der Kundgebung auf dem Heumarkt versprach sie, „dass die Stadt um jeden Arbeitsplatz kämpfen wird“. Die Verwaltungsspitze stehe in direktem Kontakt mit der Geschäftsführung des Unternehmens und habe jede Hilfe angeboten, um bei der Suche nach einem geeigneten Standort für das avisierte Kompetenzzentrum in Wülfrath zu unterstützen.

Auch die Politik stellte sich komplett hinter die Mitarbeiter. Andreas Seidler, stellvertretender CDU-Vorsitzender, sagte telefonisch: „Es ist eine Unverschämtheit, am Tag der Demo für den Erhalt der Arbeitsplätze so eine Nachricht zu veröffentlichen. Die Familien der 358 Mitarbeiter sind in der Hoffnung aufgewacht, für den Erhalt der Arbeitsplätze kämpfen zu können und jetzt dieser Nackenschlag, ein Schock.“ Auch die restliche CDU-Spitze konnte aus terminlichen Gründen nicht teilnehmen, meldete sich aber per Pressemitteilung zu Wort.

Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Manfred Hoffmann, sagte, die Aufgabe des Standortes sei eine nicht nachvollziehbare Entscheidung und habe mit unternehmerischer Verantwortung wenig zu tun. „Führungskräfteversagen scheinen die Ursachen für diese Situation am Standort Wülfrath zu sein“, so Manfred Hoffmann weiter. Die SPD fordert das Unternehmen auf, die wahren Gründe für die Schließung zu nennen, oder die Entscheidung zu überdenken. Der Auftritt der Staatssekretärin Kerstin Griese (SPD) bei der Kundgebung wurde mit viel Applaus begleitet. Sie versprach dem Mitarbeitern jede erdenkliche Hilfe und erinnerte daran, dass an diesem Tag der 70. Geburtstag des Grundgesetzes war. „Im Artikel 14 heißt es, Eigentum verpflichtet – auch dazu, anständige Arbeitsplätze zu erhalten.“

Wolfgang Peetz, Fraktionsvorsitzender der WG, drückte seine „große Sorge um die Mitarbeiter und ihre Familien und um die Stadt Wülfrath“ aus und erinnerte daran, dass in der Vergangenheit bei den Umstrukturierungen bei Rheinkalk und Ford viele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verloren gegangen waren. „Umso stärker muss daran gearbeitet werden, Unternehmen anzusiedeln“, so Wolfgang Peetz weiter. Früher sei hier ein stolzer Automobilstandort gewesen. Er sprach von einer traurigen Entwicklung.

Stephan Mrstik, Fraktionsvorsitzender der Grünen, sagte, dies sei fast zu erwarten gewesen und nannte die Folgen für die Beschäftigten und deren Familien eine Katastrophe. „Starke Betriebsräte und Gewerkschaften sind wichtig, auch wenn sie nicht alles verhindern können“, so Stephan Mrstik mit Blick auf die Kampfansagen der Vertreter der Belegschaft.

Ilona Küchler, Fraktionsvorsitzende der Linken, sieht den Sachverhalt so: „Die Mitarbeiter haben alles gegeben, auf Lohn verzichtet. Ich frage mich, ob die Chefetagen überhaupt keinen Respekt vor ihren Mitarbeitern haben.“

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