Wülfrath „Keine Ratssitzungen im Wirtshaus“

Wülfrath · Die Bürgermeister von Wülfrath haben in den vergangenen gut 200 Jahren höchst unterschiedliche Dienst-Standorte gehabt.

 Diese Bild ist auf einem Hubsteiger, der am Haus des Fotografen stand, in 25 Metern Höhe entstanden.

Diese Bild ist auf einem Hubsteiger, der am Haus des Fotografen stand, in 25 Metern Höhe entstanden.

Foto: Thomas F. Müller

. „Der französische Kaiser Napoleon Bonaparte hat mit der Einführung einer Provinzial- und Gemeindeverwaltungsordnung dafür gesorgt, dass es Bürgermeister gibt, natürlich auch in Wülfrath,“ weiß Stadtarchivar Axel Bayer. Das geschieht im Jahr 1808 und die entsprechende Depesche kommt aus Spanien, wo der französische Kaiser den Aufstand der Spanier gegen die Okkupation durch Frankreich niederringen will. Gebildet werden soll unter anderem die Munizipal-Behörde, die aus einem „Maire“ – also Bürgermeister –, aus Beigeordneten, Polizei-Kommissaren und einem Munizipal-Rat besteht. Bis der Bürgermeister in einem Rathaus sein Amt ausüben kann, ist es allerdings noch ein langer Weg.

„Bis zum Jahr 1835 hat man sich mit einem angemieteten Raum im Hotel Leimberg ausgeholfen, dann wurde die Wülfrather Verwaltung in das Haus Melanders verlegt, das zu jener Zeit ein Gasthaus war“, erläutert Axel Bayer. Bis 1840 ist dies der Standort der Verwaltung. 1840 wiederum wird das Haus In der Schmitten gegenüber dem reformierten Pastorat an der Wilhelmstraße 118 angemietet. Das Haus gehört dem Beigeordneten Meisenburg. Da allerdings zur selben Zeit der Gemeindesekretär Preußner mit seiner Familie in dem Haus leben muss, erweisen sich die Räumlichkeiten recht schnell als nicht ausreichend.
Eine längerfristige Lösung besteht in der Nutzung des 1849 errichteten Neubaus Preußner, der später in das Geschäftshaus Löh übergeht. „Das neue Rathaus verfügt neben ausreichenden Geschäfts- und Amtszimmern auch über einen Sitzungssaal, eine Wachstube und ein Arrestlokal“, berichtet die Niederbergische Wülfrather Zeitung 1961 in einem Rückblick. „Der Umzug nimmt eine Regierungsverfügung vom 26. Mai 1847 vorweg, wonach Sitzungen des Gemeinderates nicht mehr in einem Wirtshaus abgehalten werden dürfen“, erklärt Axel Bayer. Bereits am 14. Januar 1847 fasst der Rat mit 15 Ja-Stimmen bei einer Gegenstimme den Beschluss, das Gebäude anzumieten. Dieser Standort hat bis zum Jahr 1888 bestand.

Der erste Schritt, ein eigenes Rathaus anzuschaffen, besteht in einer geheimen Sitzung des Stadtrates am 1. Juli 1887. Die Gebrüder Frickenhaus hatten der Stadt ein Grundstück als Schenkung für den Bau eines Rathauses angeboten. Das Areal umfasst knapp 1500 Quadratmeter. Noch, weil die Stadtverordneten-Versammlung an der östlichen Seite einen zwei Meter breiten Streifen zukaufen möchte, damit das Haus eine Front von 20 Metern Breite erhalten kann. Auch diesmal zeigen sich die Gebrüder Frickenhaus großzügig und schenken der Stadt diesen Grund ebenfalls. Der Mettmanner Maurermeister Kriegel wird mit den Erd- und Mauerarbeiten beauftragt, der gemeinsam mit Bauunternehmer Eick ein Angebot vorlegen kann, dass 13,5 Prozent unter dem „Kostenanschlage“ liegt. Das Rathaus soll 45 000 Mark kosten und liegt an der heutigen Adresse Wilhelmstraße 76. Die Summe wird aus Beständen und durch eine Anleihe gedeckt. Der große Tag folgt am 25. März 1889. Bürgermeister Kirschbaum spricht vor der Stadtverordneten-Versammlung anlässlich der ersten Sitzung im neuen Rathaus. Einer der Beschlüsse des Rates in diesem Jahr: Ein Bildnis des Kaisers möge für den Ratssaal angeschafft werden.

Der Rathausgarten verschwindet 1965 für einen Parkplatz

Im August 1958 wird ein Parkplatz auf dem Gelände errichtet. „Von der Straße her ist der Parkplatz nicht einzusehen, da an der Stelle des früheren Zeitungsstandes eine dichte Buschgruppe angepflanzt wurde“, berichtet die Niederbergische Wülfrather Zeitung. 1965 folgt der Ausbau des Parkplatzes. Dafür verschwindet der Rathausgarten. 1966 gerät der Standort allerdings ins Wanken. „Die geplante Trasse der nördlichen Umgehungsstraße durchschneidet den Sitzungssaal des Rathauses und verschluckt das Rathaus-Nebengebäude“, schreibt der General-Anzeiger am 24. Oktober 1966. Das Rathaus wird leerer. Dieselbe Zeitung berichtet am 9. Juni 1967 von der Eröffnung der Polizeiwache an der Mozartstraße 5/7 tags zuvor.
Die Standortfrage für das neue Rathaus wird im Oktober 1966 geklärt. Die Goethestraße 21 soll es sein. Im Oktober 1968 segnet der Rat die Baupläne ab. Am 9. und 10. November wird das Awo-Heim abgerissen, das erst nach der Währungsreform neben der Stadthalle gebaut worden war. Noch im selben Monat findet der erste Spatenstich statt. „Die ersten Mauern wachsen empor, tragende Elemente einer Betonkonstruktion werden vorbereitet“, berichtet der General-Anzeiger am 27. März 1969. Am 28. Februar 1970 schreibt das Blatt: „Die Außenhaut des neuen Rathauses ist nahezu fertig. Letzte Platten der Granitverblendung werden angebracht. Die Verwaltung ist zuversichtlich, im Mai ins neue Rathaus umziehen zu können.“ Vollzug wird dann am 13. Juli gemeldet. Das von dem Architekten Limmer geplante Gebäude hat 54 Büroräume und kostet ohne Außenanlagen 2,08 Millionen Mark.

Am 12. März 1975 meldet der General-Anzeiger, dass das Nebengebäude des ehemaligen Rathauses an der Wilhelmstraße komplett geräumt ist. Die Fenster im Untergeschoss, wo früher die Polizei sowie die Stadtkasse untergebracht waren, sind verrammelt. „Auch dieses Gebäude wird im Zuge des Ausbaus der Kernstadttangente abgerissen werden müssen. Platz für die Einmündung in die Wilhelmstraße wird an dieser Stelle gebraucht“, schreibt der General-Anzeiger am 5. September 1975. Der Abriss des Nebengebäudes und des Verbindungstraktes beginnt in diesen Tagen. Mit einem unvorhergesehenem Problem. „Schwerster Brocken bei den Abbrucharbeiten des alten Rathauses war der Tresor oder die Stahlkammer der alten Stadtkasse. Alles lag ringsrum bereits in Trümmern , da hielt dieser Würfel eisern die Stellung. Einige Tage dauerte es, bis man diesen Koloss umgerissen hatte. Da war er aber immer noch nicht zertrümmert“, so der General-Anzeiger am 22. September 1975.

Dem Rathaus an der Goethestraße wiederum ist nur eine recht kurze Zeit vergönnt. 2012 wird dieses Rathaus genau wie die Stadthalle abgerissen. „Geringe Schadstofffunde in der Bausubstanz verzögern die Abrissarbeiten“, so der General-Anzeiger. Die Döpker GmbH wird von dem Käufer des Areals, Focus Real Estate, als Generalunternehmer sowohl für die Abrissarbeiten als auch den Neubau des Angermarktes beauftragt.

Bereits im Jahr 2006 war das Rathaus, das nun Dienstleistungszentrum heißt, in ein Gebäude der ehemaligen Hauptverwaltung von Kalk Wülfrath an der Wilhelmstraße 77 umgezogen. Von erneuten Umzugsplänen ist derzeit nichts bekannt.

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