Eine Frau mit Heimatliebe und Gerechtigkeitssinn

Für ihr ehrenamtliches Engagement erhält Isolde Marx, Vorsitzende des Vereins Bücherstadt Langenberg, heute das Verdienstkreuz.

Langenberg. Die Standuhr tickt so sachte, als wären die Sekunden hier länger als anderswo. Regale und Tische in den engen Räumen sind voller Bücher: „Operative Geburtshilfe“, „Reisen nach Italien“, ein Gesangbuch aus dem Jahr 1870, ein Band über die Geschichte Wiens von 1847. Ein Lampenschirm mit Fransen beleuchtet die Szenerie, durch die Speichergeruch schwebt.

Isolde Marx war zunächst skeptisch, ob sie die Auszeichnung annehmen sollte.

Nein, hier ist nicht die Zeit stehengeblieben; hier wird sie gesammelt und offeriert: Das Antiquariat „Im Honnes“ an der Hellerstraße ist eines von sieben in Langenberg — und der Lieblingsort von Isolde Marx. Die Vorsitzende des Vereins „Bücherstadt Langenberg“ erhält heute das Bundesverdienstkreuz für ihr langjähriges ehrenamtliches Engagement.

Als das Büro des Bürgermeisters sie informierte, war ihr die Botschaft zunächst suspekt: „Ich habe mir Bedenkzeit erbeten, ob ich die Auszeichnung annehme und mit meiner Familie darüber gesprochen.“ Es sei eine persönliche Ehrung, anders als der Preis „365 Orte“, den sie 2011 für den Verein Bücherstadt entgegennahm. „Ich bin ein Teamplayer. Alleingänge sind nicht mein Ding“, sagt die 64-Jährige. „Ich finde es toll, dass andere meine Biografie und mein Engagement hinterfragt haben“, bekennt Marx, „aber Selbstbeweihräucherung liegt mir nicht.“

Die Schiedsvereinigung Wuppertal hatte sie für den Orden vorgeschlagen — natürlich ohne ihr Wissen. Denn seit mehr als 30 Jahren ist Isolde Marx auch als Schiedsfrau in Langenberg tätig. „Als ich anfing, waren das ältere Herren und ich in der Phase der Emanzipation.“ Als Schiedsfrau berät sie Bürger, die miteinander in Konflikt geraten sind und das Problem mit ihrer Hilfe zunächst außerhalb des Gerichts aufarbeiten. „Das ist kein Kaffeeklatsch“, betont Marx.

In ihren Schlichtungsprozessen gehe es vor allem um Beleidigung, Hausfriedensbruch und Nachbarschaftsrecht — wenn Pflanzensamen in den Garten wehen oder Hunde ihr Revier markieren. „Dabei sind diese Dinge meist nur der Antrieb für den Streit, die Gründe liegen tiefer. Diese Vorgeschichte versuche ich zu entschlüsseln. Da werden jahrelang unterdrückte Konflikte freigesetzt, deshalb dürfen die Gesprächspartner auch laut werden.“ 70 Prozent aller Streitenden bewahre sie vor dem Gericht. „Sie glauben gar nicht, wie viel sich erledigt, wenn man mal eine Nacht drüber geschlafen hat.“

Ein friedlicher, jedoch nicht minder eifriger Kontrast ist ihr Einsatz für den Tourismus: „Wir wollen Langenberg durch das Profil der Bücherstadt beleben“, sagt Marx, die seit 35 Jahren in der Senderstadt wohnt. „Hier wird keiner drei Wochen Urlaub machen, deshalb konzentrieren wir uns auf Tagestouristen, die in den Läden stöbern wollen. Wir haben daneben einen Buchbinder und eine Kalligraphin angesiedelt.“ Zudem will der Verein die Zahl der Antiquariate auf zwölf aufstocken.

Isolde Marx, die in einem Düsseldorfer IT-Unternehmen gearbeitet hat, bezeichnet sich selbst als „Menschenfängerin“: „Es macht mich glücklich, andere Leute für eine Sache zu begeistern.“ Das hat sie nun davon: ein Bundesverdienstkreuz.

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