Ein Wülfrather in Amerika: Tobias Huning wird Professor

Aus einer Stippvisite wurde ein Lebensabschnitt: Seit zehn Jahren lebt Tobias Huning in den USA. Dennoch fühlt er sich seiner Heimatstadt verbunden. Ein paar Mal im Jahr kommt er zu Besuch.

Wülfrath. Fast täglich flimmern Auswanderer-Dokus über den Bildschirm. Und fast genauso oft berichten die Rückkehrer über ihr gescheitertes "Leben XXL" in der Ferne. Dass der Schritt in eine fremde Welt, eine neue Kultur, auch gelingen kann, weiß der Wülfrather Tobias Huning (32).

Vor zehn Jahren machte sich der jüngste Spross von Wülfraths ehemaligem Bürgermeister Alois Huning auf den Weg, um in den USA mit Hilfe eines Tennis-Stipendiums zu studieren: "Als ich am 26. Dezember 1998 in den Flieger nach South Carolina stieg, war das für mich eine neue Etappe in meinem Leben", blickt Huning junior heute zurück.

Dass aus der Etappe ein solch langer Lebensabschnitt wird, liegt sicher an den sportlichen Erfolgen (Amerikanischer Meister im Tennis) und dem schnellen, erfolgreichen Studium (Professor für Management, Abschluss zum Philosophischen Doktor im Sommer 2009).

Großen Anteil haben aber auch die Lebensqualität in den Staaten und die Gegensätze zu Wülfrath und Deutschland: "Ich mag bei den Amerikanern die Offenheit für Veränderung. Zwar ist das Risiko in vielen Lebensbereichen in Deutschland wesentlich geringer, dafür aber auch starrer als in den USA."

Auf die Frage, ob er Deutschland für immer den Rücken kehrt, zuckt er mit den Achseln: "Für immer ist eine verdammt lange Zeit. Wenn es sich ergibt, würde ich auch gerne wieder zurückkommen." Das hoffen auch seine Eltern, obwohl sie voll und ganz hinter dem Auslandsaufenthalt stehen: "Sicher sind wir stolz, aber ich würde lügen, wenn ich ihn nicht doch gerne etwas näher bei uns wüsste", erzählt Mutter Brunhilde.

Daheim wurde schon ein Gläschen auf die Professur getrunken. "Bei der nächsten Gelegenheit holen wir das gemeinsam nach", so Vater Alois, dem ein fast nüchternes "Ich freu’ mich sehr über seinen Erfolg in den USA" über die Lippen rutscht.

Obwohl 7300 Kilometer zwischen seinem Wohnort Columbus/Georgia und Wülfrath liegen und sich die Besuche auf wenige Wochen im Jahr beschränken, fühlt sich der angehende Doktor als Wülfrather: "Meine Wurzeln werden immer hier bleiben. Auch wenn mein Lebensmittelpunkt nun in Amerika liegt: Heimat bleibt euer schönes Städtchen."

Was ihm spontan einfalle, wenn er an Wülfrath denkt, wird er oft gefragt: "Der Herzog-Wilhelm-Markt und mein erster Tennisclub Blau-Weiß", muss er grinsen. Das "Warum?" liefert er hinterher: "Dieses soziale Netzwerk ,Jeder kennt jeden’ gibt es in den USA nicht. Gemeinschaft mit Gleichgesinnten muss man sich teuer erkaufen."

Zu schätzen weiß er die Vorteile dieser Integration aber erst jetzt: "Als Jugendlicher zu schnell mit dem Mofa auf der Mettmanner Straße oder ein überzogener Zapfenstreich im ,K5’, und am nächsten Morgen wusste mein Vater als Bürgermeister direkt Bescheid. Damals wäre mir eine Anonymität wie jetzt in Columbus oder Memphis lieber gewesen."

Auch wenn ihm die Doktorarbeit zum Thema "Arbeitnehmerleistung" noch fehlt, so ist aus dem Studenten aus Deut-schland ein Dozent an der Columbus State University geworden. Auch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten hat nun "seinen" Professor Huning. Im Gegensatz zu vielen anderen Auswanderern hat Huning die Muttersprache nicht verlernt.

Akzentfreies Deutsch wird ihm ebenso bescheinigt wie ein perfektes Englisch, was ihn fast zu einem Einheimischen macht. Es macht ihm Spaß vor 40, 50 amerikanischen Studenten zu stehen und Vorlesungen zu halten. Dass der "Prof" aus Deutschland kommt, bemerken die wenigsten, die amerikanische Staatsbürgerschaft ist nicht ausgeschlossen.

Eines steht aber fest: Wenn sich Tobias auf den weiten Weg nach Wülfrath macht, kommt er als Gast in die Heimat. Und vielleicht wird irgendwann der Wunsch seiner Mutter wahr, und aus dem Gast wird ein Rückkehrer. Dann aber sicher anders als im TV.

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