Wülfrath Die Corona-Krise zeigt deutlich, wie anfällig die globalisierte Welt ist

Wülfrath. · Gewöhnlich ist Wülf­rath ein ruhiges Städtchen. Zum Leidwesen vieler Bürger*innen haben in der Innenstadt viele Geschäfte in den vergangenen Jahren geschlossen. Doch nun ist es noch ruhiger geworden.

 Ilona Küchler fürchtet eine Marktbereinigung.

Ilona Küchler fürchtet eine Marktbereinigung.

Foto: Holger Bangert

Das Coronavirus hat auch Wülfrath im Griff. Dieses Thema beherrscht die Gespräche der Menschen – in der Familie, unter Freunden, beim Einkaufen. Bis vor kurzem sah man die Auswirkungen der Krise in den Geschäften am deutlichsten. Das Regal mit dem Klopapier war leergefegt, bei den Konserven klafften Lücken ebenso bei den Nudeln. Trotzdem konnte von Versorgungsnotstand keine Rede sein. Aber die Leute waren und sind bis heute verunsichert, machen sich Sorgen, wie es weiter geht. Was wenn Schulen und Kitas schrittweise wieder geöffnet werden? Werden die Schutzmaßnahmen ausreichen? Wie werden kleine und mittlere Unternehmen, die nicht über nennenswerte Rücklagen verfügen, die Krise überstehen? Wie werden Eltern, die wegen ihrer Kinder zu Hause bleiben müssen, mit Kurzarbeitergeld oder unentgeltlicher Freistellung die Zeit überstehen? Zwar werden Bundes- und Landesregierung nicht müde, Unterstützungen zuzusagen und Optimismus zu verbreiten, doch zinsfreie Kredite oder Steuerstundungen werden da wenig helfen. Dieser Virus, der diesmal nicht nur arme und von Krieg oder Umweltkatastrophen gebeutelte Länder, sondern die reichen Industrieländer in die Knie zwingt, zeigt, wie anfällig die globalisierte Welt ist. Schließung der Grenzen, leere Regale, Erfassung von Bewegungsdaten, Reduzierung sozialer Kontakte – wann hat es das schon mal gegeben?

Klage über Lieferengpässe bei bestimmten Medikamenten

Schon vor längerer Zeit wurde geklagt, dass es Lieferengpässe bei bestimmten Medikamenten gibt, weil fast alles in Asien – vor allem in China – produziert wird. Gibt es dort – aus welchem Grund auch immer – Ausfälle und Stockungen, geht in Europa nichts mehr. In einer Talkshow sagte ein Wissenschaftler sinngemäß: Das sind Auswirkungen der bisher gepriesenen Glaubensgrundsätze: „Geiz ist geil“ und „just in time“. Die Verlagerung der Produktion in Länder, die billiger produzieren als Europa und der Glaube, Vorratswirtschaft kostet nur Geld, fällt uns nun massiv auf die Füße.

Diese Krise und der Klimawandel sollten Anlass sein, über unseren Lebensstil nachzudenken. Obst und Gemüse zu jeder Jahreszeit, Textilien im Überfluss, jeden Tag Fleisch. Alles immer verfügbar und möglichst billig. Die EU braucht für ihre Grundnahrungsmittel und Konsumgüter aus landwirtschaftlicher Produktion anderswo auf der Welt eine Fläche von 6,4 Millionen Quadratkilometer – eineinhalb mal so groß wie die Fläche der EU-Mitglieder (Vergleich stammt aus dem Buch „Die Grüne Lüge von Kathrin Hartmann, Februar 2018). Von Gemüse und Obst bis zu Rohstoffen für Bio-Sprit wird alles importiert und belastet – wie wir bitter erkennen müssen – nicht nur die Umwelt. Stellt sich also die Frage: Werden wir aus der jetzigen Situation die nötigen Konsequenzen ziehen oder müssen wir ein „Weiterso“ fürchten. Momentan deutet alles darauf hin, dass große Unternehmen mit staatlichen Förderprogrammen „ihr Überleben“ sichern können, während kleinere auf der Strecke bleiben werden. Das nennt man dann wohl Marktbereinigung. Wollen wir das?

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