Breitscheid: Schuften für den guten Zweck

Auf Initiative der Caritas wurde am Freitag an der Flüchtlingsunterkunft am Sondert eine Boccia-Bahn errichtet. Viele halfen dabei mit.

Breitscheid. "Ich habe heute Abend zwar nichts verdient, dafür aber das schöne Gefühl, etwas Gutes getan zu haben." So wie Bernd Wolf dachten sicher die meisten Helfer, die sich am Freitag spontan entschlossen hatten, bei einer guten Sache mitzumachen. Im Rahmen der ARD-Themenwoche "Ehrenamt" hatte Martin Sahler von der Caritas vorgeschlagen, an der Flüchtlingsunterkunft am Sondert eine Boccia-Bahn zu errichten, und war auf offene Ohren gestoßen.

Bernd Wolf hatte sich spontan nach Ratingen aufgemacht. Der Garten- und Landschaftsbauer aus Mettmann packte ein paar Maschinen auf seinen Kleinlaster und fuhr mit einer Helferin nach Breitscheid, um sein Fachwissen bei der Anlage der Boccia-Bahn einzubringen. Dort waren schon am Vormittag etliche Freiwillige gekommen, um mit anzupacken. Darunter auch Ratingens Gastronom Heinz Hülshoff. Im blütenweißen Hemd schippte er Schotter und hämmerte Befestigungspfähle in den Boden. "Morgen werde ich wohl ein paar Blasen haben", sagte er mit Blick auf seine Hände. "Wichtig ist, dass man was bewegen kann."

Mithelfen wollte auch die Stadtverwaltung: Sie schickte auf dem ganz kurzen Dienstweg einen großen Bagger, einen Lastwagen und vier Mitarbeiter als Unterstützung. "Das ist mal ’was anderes", freute sich Michael Engling vom Baubetriebshof über die Abwechslung. "Außerdem macht es Spaß, auch mal mit Laien zusammenzuarbeiten."

Auf dem Gelände zwischen den Flüchtlingsunterkünften ging es zeitweise zu wie in einem Taubenschlag. Da brachte eine Bürgerin eine Riesentüte voller Spielsachen vorbei, andere kamen, um das Fest am Nachmittag vorzubereiten, darunter Künstlerin Nadia Meroni mit einem Musiker. Spontan war auch Daniel Vennes zum Sondert gefahren. Als er gehört hatte, dass noch einige Tonnen Schotter für den Untergrund und Split für die Deckschicht der Boccia-Bahn fehlen, ließ der Breitscheider Tiefbauunternehmer kurzerhand das Material von seinem Betrieb ankarren.

Die Bewohner der Flüchtlingsunterkunft sahen dem Treiben zunächst distanziert zu, schließlich traute sich der eine oder andere, auch zur Schippe zu greifen. Und nach einer Stunde gemeinsamen Schaufelns huschte auch schon mal ein Lächeln über die vorher verschlossenen Gesichter. "Sie sind dankbar für jede Beschäftigung. Vor allem die Männer resignieren hier schnell ohne Arbeit", erklärte Integrationsbeauftragte Zeliha Yetik.

70 Flüchtlinge leben in den Unterkünften, sieben Kilometer von der Innenstadt entfernt. Arbeiten dürfen sie nicht. Während die Kinder in die Schule oder den Kindergarten gehen, langweilen sich die Männer. "Sie haben oft Depressionen", weiß Elgona Karimova, die gerade auf dem Weg zum Deutschkurs ist, der dreimal pro Woche hier stattfindet. Ihr Mann war Nationaltrainer der Taekwon-Do Nationalmannschaft in Aserbaidschan. Zusammen mit vier Kindern lebt die Familie in zwei kleinen Räumen.

Tochter Madina geht in die erste Klasse an der Anne-Frank-Schule. Und die kam am Freitag zu Besuch in die Flüchtlingsunterkunft. Die Kinder tobten unbefangen auf der Wiese. "Es ist wichtig, dass sie einmal mitbekommen, wie ihre Klassenkameradin hier lebt", sagte Schulleiterin Eva Müskens. "Es gibt leider noch immer zu viele Berührungsängste. Deshalb ist es gut, dass wir heute den ersten Schritt tun", ergänzte Freya Lage, ehrenamtliche Mitarbeiterin bei der Caritas. Sie hofft, dass die Boccia-Bahn nicht nur von Kindern genutzt wird - und vor allem nicht nur von den Bewohnern am Sondert. Der erste Schritt wurde getan.

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