Zählung: Ein Mann der vielen Fragen

Patrick Strohschein interviewt Menschen für den Zensus. Es ist kein Job wie jeder andere.

Velbert. Fredi Werner schaut auf den Fragebogen und befürchtet eine längere Sitzung mit Volkszähler Patrick Strohschein. „Das sind aber ganz schön viele Kreuzchen, die Sie da machen müssen. Ich dachte, die Befragung dauert nur fünf Minuten“, sagt er. Doch Strohschein beruhigt ihn: „So viel ist das gar nicht. Warten Sie mal ab.“

Strohschein interviewt in Velbert Bürger für den Zensus 2011. Er ist einer von 600 Erhebungsbeauftragten, die im Kreis Mettmann 56 000 Bürger zu ihrer Schulbildung, Religionszugehörigkeit und Wohnverhältnissen befragen.

Die Volkszählung dient dazu, die Einwohnerzahl Deutschlands zu ermitteln — damit der Staat Planungssicherheit hat, wenn es darum geht, den Bedarf an Kindergärten, Schulen oder Krankenhäusern zu ermitteln.

Bis Ende Juli wird befragt. Patrick Strohschein hat 200 von 300 Haushalten abgearbeitet. „Das ist zwar Arbeit, macht aber auch Spaß. Schließlich lerne ich ganz unterschiedliche Menschen kennen“, sagt der 31-Jährige.

Eigentlich arbeitet er als Verwaltungsbeamter beim Kreis Mettmann. „Als im Februar Erhebungsbeauftragte gesucht wurden, habe ich kurz überlegt und dann entschieden mitzumachen. Ein kleiner Zuverdienst ist nicht schlecht.“

Dafür muss er zweimal in der Woche nach seiner Arbeit in seine Erhebungsbezirke fahren. Vor Ort vergleicht Strohschein die Namen an den Klingeln mit den Adresslisten, die er vorher von der Erhebungsstelle beim Kreis Mettmann samt Fragebogen bekommen hat. „Stimmen Adressen und Namen überein, mache ich die Unterlagen zur Befragung fertig und verschicke Ankündigungsschreiben mit einem Terminvorschlag an die Haushalte.“

Rund dreieinhalb Stunden dauert eine Schicht. In den meisten Fällen verläuft die Befragung reibungslos. „Die Menschen wissen meistens, warum ich komme, und was der Zensus ist“, sagt er. „Offensichtlich haben die Kampagnen im Vorfeld gefruchtet.“

So wie bei Fredi Werner. „Ich habe gar keine Bedenken gehabt, als ich erfahren habe, dass ich beim Zensus mitmachen muss“, sagt der Rentner. Strohschein arbeitet mit ihm einen Punkt nach dem anderen ab und macht Kreuzchen um Kreuzchen. Nach zehn Minuten ist alles erledigt. „Das war’s schon?“, stellt Werner fest.

Doch nicht immer geht es so einfach wie bei dem Velberter — und es ist auch nicht immer so komfortabel wie bei ihm. „Viele Leute sind misstrauisch und lassen mich gar nicht in ihre Wohnung“, sagt Strohschein. „Dann führe ich das Interview im Treppenhaus.“

Zu seinem Job als Erhebungsbeauftragter gehört auch Fingerspitzengefühl. So hat er bei einer Frau geklingelt, und als er sie fragte, ob ihr Mann zu Hause sei, sei die Dame in Tränen ausgebrochen. „Sie hatte vor kurzem erst ihren Mann beerdigt. In solchen Situationen ist Sensibilität gefragt“, sagt er. Dann könne es auch einmal vorkommen, dass er zum Seelentröster wird. „Für die Erhebung biete ich dann einfach einen anderen Termin an.“

Das hat er auch in Haan getan. Aber dort aus einem ganz anderen Grund: „Ein Mann hat mir die Tür geöffnet. Er war sternhagelvoll und hat rumgeblökt, dass ich abhauen soll“, erzählt Strohschein. „Ich bin dann ruhig geblieben. Er war ja betrunken. Beim nächsten Termin verlief dann aber alles reibungslos, und auch er hat seine Angaben für den Zensus gemacht.“

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