Wülfrath/Tönisheide Wunderläufer kochte in seinem Restaurant rein vegetarisch

Adolf Wilmsmeyer war 1908 Wirt der Gaststätte „Kleine Schweiz“. Seine Leidenschaft war das Laufen und ein Leben ohne Fleisch und Alkohol.

Wülfrath/Tönisheide: Wunderläufer kochte in seinem Restaurant rein vegetarisch
Foto: Wiehoff

Wülfrath/Tönisheide. Zwischen der großen Schweiz und der „Kleinen Schweiz“ in Tönisheide liegen beinahe 800 Kilometer. Zu Zeiten Adolf Wilmsmeyers war das schon eine ordentliche Strecke. Vermutlich war der vermeintliche Wülfrather Wunderläufer auch nie dort.

Dafür gab es dort aber ein paar Leute, deren Art zu leben Wilmsmeyer damals beeindruckt haben mag. Zumindest scheint sich der Gründer der „Kleinen Schweiz“ so einiges abgeschaut zu haben bei den Vorreitern der Alternativbewegung, die sich nach der Jahrhundertwende am Monte Veritá nahe dem schweizerischen Ascona niedergelassen hatten.

Denn dort lebten mit Karl Wilhelm Diefenbach und Gusto Gräser die „Urväter der Alternativszene“ ein Hippieleben fernab jeglicher Konventionen. Ob Adolf Wilmsmeyer in Tönisheide jemals von den Hippies am Monte Veritá gehört hat, wissen wir nicht. Eines allerdings steht fest: Mit der Eröffnung der „Kleinen Schweiz“ im Jahre 1908 sorgte er in der Provinz für Aufsehen. Denn dort gab es Grünkohl statt Schweinshaxe. Alkohol kam dem guten Wilmsmeyer schon mal gar nicht auf den Kneipentisch.

Womöglich war Wilmsmeyer seiner Zeit auch einfach um ein paar Jahrzehnte voraus. Damals sorgte Adolf Wilmsmeyer für Furore, und das nicht nur mit seinem unkonventionellen Restaurant. „Er schlief oft auf der Wiese, unterhalb des heutiges Parkplatzes — unter einem gespannten Dach, zwischen vier Kirschbäumen“, ist in der Chronik des Restaurants etwa 100 Jahre später zu lesen. Und damit war´s noch nicht genug: Im Winter sprang Wilmsmeyer zum Eisbaden in den Teich.

Weil die Wirtshaus-Einnahmen nicht zum Leben reichten, wanderte er bei Wind und Wetter zu seinem Arbeitgeber Coll und Tiggemann. Adolf Wilmsmeyer trat als „bekannter Wunderläufer“ dann auch noch gegen einen „frisch importierten, schwarzen Mann aus Afrika“ an.

Letzterem soll durch Schweiß und Regen die schwarze Farbe verloren gegangen sein — was den Tönisheider Wunderläufer jedoch nicht davon abhielt, dann auch noch einen Rundstreckenlauf gegen einen Berliner namens „Kunze“ zu veranstalten. Ein joggender Hippie, der unter freiem Himmel schläft und in seiner Kneipenküche nur Gemüse kocht? Vermutlich war das Grund genug für so manchen Gast, sich all das mit eigenen Augen anzuschauen. Irgendwann war dennoch Schluss mit der Kneipe ohne Alkohol und einer Speisekarte ohne Fleisch. Mit Eberhard Wiehoff zog der erste aus der Wiehoff-Familie als Wirt im Kotten ein.

Derweilen ist Adolf Wilmsmeyer einfach weitergelaufen, um sich als Langstreckenläufer bei den Deutschen Meisterschaften und als „Gepäckgeher“ bei Armeemärschen einen Namen zu machen. Das Traditionslokal blieb derweilen Teil der Wiehoff-Familie und wird mittlerweile in der vierten Generation geführt.

Aber warum heißt es überhaupt seit mehr als 100 Jahren „Kleine Schweiz“? Inhaber Frank Wiehoff hat darauf eine plausible Antwort: „Es gab damals schon den Wald, die kurvenreiche Straße und zahlreiche Wanderwege. Es sah alles aus wie in der großen Schweiz.“

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