Wülfrath: Jugendliche räumen Vorurteile gegenüber Religionen aus

Christen und Muslime wagen den „Austausch der Kulturen“.

Wülfrath. In der Stadtkirche herrscht andächtige Ruhe. 24 Jugendliche sitzen am hölzernen Rund, an dem sonst die Gläubigen ihr Abendmahl entgegennehmen. Am Taufbecken steht Ute Buschhaus, Jugendleiterin der Evangelisch-reformierten Kirchengemeinde, mit Emine (22). "Wir taufen im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes", erklärt Buschhaus den Anwesenden, Emine hält eine Jacke als Baby-Ersatz. An diesem Abend treffen sich christliche und muslimische Jugendliche aus Gemeinde und Jugendhaus zur Diskussionsrunde.

"Wer war noch nie hier in der Kirche?", wollen Ute Buschhaus und Simone Feldmann, Leiterin des Kinder- und Jugendhauses, wissen. Einige heben die Hand. "Bei uns Moslems wird die Namensgebung und die Beschneidung so ähnlich gefeiert wie bei den Christen die Taufe", erklärt Yakup (22) den Zuhörern. Doch auch die Muslime haben einige Fragen an ihre gleichaltrigen Banknachbarn. "Warum gibt es katholische und evangelische Christen?", will Harun (19) wissen.

Die Idee zum Gedankenaustausch kam Simone Feldmann beim Joggen. "Das war ganz spontan. So eine Begegnung zwischen den Kulturen lohnt sich immer." Dass zwischen Christentum und Islam mehr Gemeinsamkeiten herrschen als gedacht, wird schnell klar. "Die christlichen Regeln und Grundsätze sind denen des Islam sehr ähnlich", sagt Ute Buschhaus. "Es geht in beiden Religionen darum, ein guter Mensch zu sein. Die Gebote, die das regeln, sind in beiden Religionen gleich", weiß Phil (24). Er arbeitet schon seit zehn Jahren in der Kirche.

Auch die Unterschiede werden deutlich. "Katholische Priester dürfen also keine Frauen und Kinder haben? Im Islam ist es Pflicht, eine Familie zu gründen", sagt Harun. "Knallhart", kommentiert Aykut das Zölibat. "Die Fastenzeit nehmen die Muslime viel ernster als die Christen", sagt Isabel. "Sogar im Sportunterricht oder auf Klassenfahrt. Im Christentum macht man das eher mit sich selbst aus."

Auch mit klassischen Vorurteilen räumen beide Seiten auf. "Gewalt oder Zwangsheirat haben nichts mit unserer Religion zu tun. Das sind Traditionen aus irgendwelchen kleinen Dörfern", meint Yakup. "Wir konnten nicht nur Klarheit schaffen, auch ich habe dazu gelernt", gibt Harun am Ende zu Protokoll. Für allgemeines Unverständnis sorgen die Akte von Vandalismus, die sowohl die Moschee, als auch die Stadtkirche betrafen. "Dass auch die Kirche mit Hakenkreuzen beschmiert wurde, zeigt, dass Ausländerfeindlichkeit nichts mit dem Christentum zu tun hat", sagen Jugendlicher beider Religionen.

Am 16.März geht der Kulturaustausch in die zweite Runde. Dann besuchen die Jugendlichen die Moschee. "Mich interessiert, warum Männer und Frauen in getrennten Räumen beten", gibt Pia (18) Ausblick auf die kommenden Diskussionen. "Das positive Ergebnis von heute zeigt, dass wir in Wülfrath keine Integrationsprobleme haben", zeigt sich auch Simone Feldmann zufrieden mit der Veranstaltung. "So was müsste es häufiger geben."

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