Wülfrath: Erbachs unbekannte Seite

Das Buch „Stationen“ würdigt den Einsatz für die Jugend des großen Wülfrathers.

Wülfrath. Es ist ein sehr markantes Datum: Weihnachten 1933. Auf der Rückseite eines Fotos ist ein für diese Zeit sehr bemerkenswertes Ereignis notiert: "Auflösung des Stammes, um einer Eingliederung in die Hitler-Jugend zuvor zu kommen."

Veranlasst hatte das Fritz Erbach. Der Wülfrather, der den Stamm der Christlichen Pfadfinder, leitete, schlug die Warnungen seiner Freunde in den Wind. "Dank Gottes Hilfe wurde er vor einer Verhaftung der Gestapo bewahrt", ist in dem Buch "Stationen auf einem Lebensweg" nachzulesen.

Ulrich Erbach sowie Klaus Kleinherne und Kurt Picard, zwei alte Wegebegleiter aus der Pfadfinder-Zeit, haben das Buch herausgegeben.

Eigentlich ist es für einen kleinen Kreis gedacht. Die Familie soll es erhalten und das Bundesarchiv des Verbandes Christlicher Pfadfinder (CP) in Kassel. Doch der Untertitel des umfangreichen Werks macht deutlich, dass das Interesse weitaus größer gestreut sein müsste: Christ, Nerother Wandervogel, Pfadfinderführer in der CP, Politiker für seine Heimatstadt Wülfrath. Und die Bedeutung müsste auf dem Wörtchen "für" liegen.

Wer das Buch durchblättert, Dokumente, Briefe und Einschätzungen liest, wird schnell erkennen, dass sich Fritz Erbach nicht aus Selbstzweck eingebracht hat, sondern um etwas bewegen: für Wülfrath und vor allem für die Jugend. Und auch Ulrich Erbach stellt nach der Arbeit an diesem Buch fest: "Wie sehr er sich für junge Menschen eingesetzt hat, ist mir erst jetzt klar geworden."

Fritz Erbach, ein Wülfrather Urgestein: Er wurde 1913 in der Kalkstadt geboren. Der Stammbaum der Erbachs reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück. Ortsbezeichnung wie Nord- und Süd-Erbach lassen laut "Wülfrather Stadtbuch" darauf schließen, dass die Erbachs zu den bedeutenden Familien in Wülfrath seit jeher gehörten. Elektrikermeister, Firmengründer, Innungsmeister, Hüter der niederbergischen Mundart, CDU-Politiker und stellvertretender Bürgermeister:

Diese Seiten Erbachs, der 1998 im Alter von 85 Jahren verstarb, sind bekannt. Als Lokalpolitiker, der 1952 als unabhängiger Kandidat erstmals in die Stadtvertretung einzog, hatte er sich zum Beispiel maßgeblich für den Bau der Realschule, des städtischen Altenheims und des Jugendhauses eingesetzt. Seine Bedeutung für die Pfadfinderbewegung blieb aber unbekannt.

Erbachs Wirken für die CP steht im Mittelpunkt des Buches. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er deren erster Landesmarkführer im Rheinland. Kleinherne beschreibt ihn als einen Menschen, "der unseren Wahlspruch ,Allzeit bereit’ sehr ernst nahm. Nie wies er jemanden, der bei ihm Rat suchte, ab".

Die Zusammenstellung des Buches - unter anderem mit Pfadfinderpässen, Liederbüchern, Briefen und Fotos - habe ihm sehr viel Freude gemacht, sagt Ulrich Erbach. Das Zuarbeiten für die Weggefährten aus der Pfadfinderschaft sei schon sehr emotional gewesen. Und einiges sei für ihn auch neu gewesen. "Der unermüdliche Einsatz für die Jugend, vor und nach dem Krieg, hat mich in dem Umfang überrascht. Das war mit so nicht bekannt."

Erbach verweist besonders auf die von seinem Vater initiierte Aktion "Zwei Kaufen - Eins Spenden". Erbach: "Das erinnert mich an die heutigen ehrenamtlichen Helfer der Tafel."

"Vergesst mir die Alten nicht", hatte Fritz Erbach bei seinem Ausstieg aus der Politik gesagt. Altenhilfe- und Pflege sei immer ein Schwerpunkt gewesen: Jugend und Alter - Fritz Erbach dachte generationenübergreifend. Ja, durch die Arbeit an dem Buch "habe ich viele neue Eindrücke von meinem Vater erfahren. Gute Eindrücke", sagt Ulrich Erbach.

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