Stadt der Schuldner

Finanzen: Hermann S. ist einer von 9393 Velbertern, die überschuldet sind. Die meisten von ihnen leben in Kostenberg, die wenigsten Schuldner gibt es in Langenhorst.

Velbert. Die Schulden bereiten Hermann S. manchmal schlaflose Nächte. Dann überlegt er, wie es weitergehen soll und weiß keinen Rat. Mit 48 000 Euro steht er bei 23 Gläubigern in der Kreide — eine Summe, die sich über mehrere Jahre angesammelt hatte. Zuerst musste der gelernte Autolackierer seinen Beruf aufgrund einer Allergie gegen Lacke aufgeben, dann hat er sich selbstständig gemacht, nahm hierzu einen Kredit auf. Doch sein Unternehmen scheiterte. Die Schulden blieben. Und wurden noch mehr, nachdem Hermann S. mehrere Internetkäufe tätigte und den Überblick verlor, was er noch alles zu zahlen hatte.

Hermann S. ist kein Einzelfall in Velbert. 9393 Menschen über 18 Jahre sind nach einer Statistik eines Wirtschatfsdienstes, der jährlich den Schuldneratlas veröffentlicht, überschuldet oder nachhaltig zahlungsgestört: Das heißt, dass sie ohne fremde Hilfe es nicht schaffen, aus der Schuldenfalle herauszukommen und ihre Kreditraten nicht mehr zahlen können. Velbert belegt Platz 1 der überschuldeten Personen im Kreis Mettmann. Dort leben im Vergleich zu anderen kreisangehörigen Städten im Kreis Mettmann die meisten überschuldeten Personen.

Wer gar nicht mehr weiter weiß, der kann sich Hilfe suchen bei einer Schuldnerberatungsstelle. Das hat auch Hermann S. getan, als der Leidensdruck immer größer wurde. In der Beratungsstelle der Diakonie Niederberg traf er Jürgen Sevecke, Sozialpädagoge und Schuldnerberater seit 23 Jahren. Er und seine zwei Kollegen betreuen jährlich 400 Menschen, die überschuldet sind — also ihre Kredite nicht mehr abbezahlen können.

„Wir versuchen erst einmal eine Bestandsaufnahme zu machen, dazu gehört auch die persönliche und finanzielle Situation der Klienten, die wir beraten“, sagt er. Danach erst schaue er, wie dem Klienten weitergeholfen werden kann. Manchmal ist das Begleitung bei Behörden, Ämtern. Dazu gehört aber auch die beratung, wenn es darum geht, Privatinsolvenz anzumelden. „Dies ist manchmal einfach die letzte Lösung, die es gibt“, sagt Sevecke. Je mehr Gläubiger Geld verlangten, desto schwieriger werde eine außergerichtlich Einigung.

Ob in den vergangenen Jahren die Zahl der überschuldeten Personen zugenommen hat, kann Sevecke nicht bestätigen. Aber er stellt fest: „Je schlechter es der Wirtschaft geht, desto mehr kommen zu uns.“ Dies sei gerade im Jahr 2009 mit seiner Finanzkrise spürbar gewesen. Vereinfacht gelte die Formel: schlechtere Konjunktur, mehr Arbeitslosigkeit gleich mehr Menschen, die Schulden machen.

Deshalb sei es auch wichtig, den Menschen zu helfen, damit sie wieder in den Beruf finden, wenn sie ihren Job verloren haben. „Denn wer keinen Job hat, der hat auch wenig Möglichkeiten, aus der Schuldenfalle rauszukommen.

Deshalb hat Sozialpädagoge Sevecke Hermann S. nicht nur beraten, wie er mit seinen Schulden umgehen kann, sondern auch geschaut, welche Stellen ihm bei dem Einstieg in den Beruf helfen können.

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