Rückblick: Bluttat schockiert Wülfrath

Wülfrath 2009 war geprägt von der Wahl, der Wirtschaftskrise – und zwei Gewalttaten. Unsere Themen des Jahres.

<h3 align="center">10. Die Kalkstädter

Unser Verein des Jahres: Der Musikverein Kalkstädter. Dem einstigen grün-weißen Spielmannszug haben Vorsitzender Wolfgang Köster und sein Team einen neuen Kurs verordnet, der passt. Und das wurde 2009 deutlicher denn je.

Zum Finale das großartige Konzert "mit Friends" in der Stadthalle, im Sommer eine Skihütten-Fete, die als Party-Event des Jahres gelten darf.

Keine Frage, das Jubiläum des Jahres: Der MGV Sängerkreis wurde 125 Jahre alt und feierte das ausgiebig. Das Festkonzert beeindruckte. Aber richtig meisterlich war es in den weihnachtlichen Konzerten in St.Joseph. Zweimal an einem Tag - das kann nur der mehrfache Meisterchor: eine Wülfrather Institution.

Überhaupt: Es war ein gutes Kulturjahr. Zwei Aspekte bedürfen einer Hervorhebung. Da ist die Wülfrather Rockmusikergemeinschaft. Ihr Vereinsheim am Zeittunnel hat sich zum Konzertclub gemausert und hat das Zeug zur feinen Adresse, weit über den Rock-Faktor hinaus. Edle Gitarrenkonzerte deuteten das an. Aber auch Kleinkunst, Kabarett sind möglich.

Ebenso ein zukunftsträchtiges Beispiel: die Neanderland-Biennale im Juni. Herrlich, wie die Kultur auf die Straße und hier vor allem in den Stadtpark getragen wurde. Die Kultur lebt vor, was die Kommunalpolitiker in diesem Wahljahr immer so herrlich proklamiert haben: interkommunale Zusammenarbeit.

Hoffentlich nur eine Momentaufnahme, hinter der kein Trend steht: In Wülfrath ging es in diesem Jahr gewalttätiger zu. An der Lindenstraße verletzt ein Mann seine getrennt von ihm lebende Frau schwer - und wird zum Ende des Jahres mit einer langen Haftstrafe belegt. In der Ellenbeek erschießt ein Mann seine Ex-Frau vor einer Kindertagesstätte und richtet sich dann selbst. Taten, die sprachlos machen. Das Mitgefühl gilt den Angehörigen, den Hinterbliebenen.

Sie können’s einfach: Die Macher von Wülfrath pro. Da wurden schon Stimmen laut, die bezweifelten, ob Vorstandssprecher Andreas Maul und sein Team das Tempo beibehalten können. Sie können’s. Und sie tun’s. Deren Veranstaltungen wie Gourmet-Meile und Kartoffelfest waren Spitze. Aber Wülfrath pro wirkt stärker denn je in den Handel hinein. Der Vorstand übernimmt Verantwortung - auch in der Innenstadtentwicklung. Herr Maul, mischen Sie sich ruhig weiter ein!

Ein Trauerspiel - und der letzte Akt steht noch aus: St. Antonius und das Herminghaus-Stift. Dabei schien schon alles klar: Der Wuppertaler Klinikverbund steigt aus dem Erbbaupachtvertrag aus, das Gebäude wird an die Freie Aktiven Schule verkauft.

Doch daraus wird nichts! St.Antonius prüft nun schon seit Monaten, ob sie in Wülfrath nicht doch eine geriatrische Reha etabliert. Das, was vor Jahren mal versprochen worden war. Ehrlich: Käme das, wäre es gut für Wülfrath. Doch die Hängepartie dauert schon so lange. St. Antonius hat sich als nicht geschickter Verhandlungspartner präsentiert, hat Porzellan zerschlagen.

Die Wirtschaftskrise trifft auch Wülfrath, die Kalkstadt. Rheinkalk bricht der Umsatz weg, setzt auf Kurzarbeit, um dann aber Arbeitsplatzabbau anzukündigen. Dutzendweise gehen Jobs in Flandersbach verloren. In der Hauptverwaltung sollen elf Stellen wegfallen.

100, 200, 300 - wie viele Job bei tedrive im kommenden Jahr gestrichen werden, steht noch immer nicht offiziell fest. Außerdem ist nach wie vor nicht klar, ob das Unternehmen in Wülfrath bleibt. Die Eigner der Firmenhallen fordern Millionen-Mieten. Der potenzielle neue Investor schaut sich nach Ausweichquartieren um. Drohkulissen als Bestandteil der Verhandlungen - völlig normal. Für Januar werden Entscheidungen erwartet.

Die Goethe-Passage als neue Mitte Wülfraths, als Magnet, der der Innenstadt als Ganzes neue Impulse beschert, dazu ein Stadtentwicklungsprogramm. Man lustwandelt über den Wilhelm-Boulevard, isst und trinkt in netten Bistros ... So die Vision des Sommers.

Jetzt ist Winter. Das Stadtentwicklungsprogramm ist nicht wirklich vorangekommen. Einen einzigen Beschluss gibt es: die Umgestaltung des Springs. Um die Zukunft der Goethe-Passage wabern Gerüchte, die nicht hilfreich sind. Und es ist nicht die einzige Baustelle: Was passiert auf dem Bunkergelände Goethestraße und mit dem Bahnhofsareal? Antworten wurden für dieses Jahr erhofft. 2010 muss es sie geben.

Sagen wir es polemisch: Wie eine Wahl doch den Haushalt verändern kann! Eben noch auf Kurs, ist er nach dem Urnengang in kompletter Schieflage. Das neuerliche Millionenloch und die Aussicht auf ein Elf-Millionen-Defizit in 2010 machen deutlich, wie es um Wülfraths Finanzen bestellt ist. Wie die Wahrheit - erst häppchenweise, dann mit einem Paukenschlag - ans Licht kam, macht nachdenklich.

Da ist mit Blick auf die Kommunalwahl vieles unter der Decke gehalten worden, was der Amtszeit der abgewählten Bürgermeisterin Barbara Lorenz-Allendorff keinen schönen Ausklang bescherte. Im Gegenteil: In fast jeder Ausschusssitzung kommt ein neues Detail zu Tage. Ein fehlender Beitrag Wülfraths zur Diskussion um die Anbindung der A44-Bau, die Flandersbach mit Lkw-Karawanen belasten wird, ist nur ein Beispiel dafür.

Wülfraths Stadtspitze bleibt nach der Kommunalwahl weiblich: Claudia Panke ist die neue Bürgermeisterin. Sie ist unter den sechs Bewerbern als Siegerin der Wahl hervorgegangen und entwickelt sich seither als Hoffnungsträgerin - in Rat und Verwaltung. Mit unbestrittener Fachkenntnis und einer ganz anderen Führungsqualität ausgestattet, übernimmt sie die Geschicke der Stadt in sehr schweren Zeiten.

Der Ausgang der Kommunalwahl ist unser Top-Thema 2009, auch weil der Rat vom Wähler durchgewirbelt wurde. Mit der Wülfrather Gruppe ist eine Wählergemeinschaft, unter anderem mit den Ex-Beigeordneten Ralph Mielke und Wolfgang Peetz, mit 14,4 Prozent eingezogen. Nach einem Überläufer aus der CDU (Mario Sülz) ist sie drittstärkste Fraktion.

Von der Konkurrenz in Wahlzeiten als "Racheengel" verspottet, bringt sich die WG sachlich ein. Es wird offener diskutiert - über alle Fraktionsgrenzen hinweg. Ein gutes Zeichen: Diese offene Diskussionskultur braucht Wülfrath 2010.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort