Resignieren ist für sie keine Option

Katja Neveling kennt die Sackgassen des Lebens, hat als Sozialarbeiterin viele Geschichten gehört. Doch sie glaubt fest daran: Es gibt immer einen Ausweg.

Resignieren ist für sie keine Option
Foto: D. Janicki

Wülfrath. Manchmal genügt es, Dinge einfach nur zu wissen, um einen guten Job zu machen. Der Rest ist Routine. Man kommt morgens ins Büro und arbeitet sich durch Aktenberge. Alles hat seine Ordnung — und wird irgendwann mit dem Vermerk „erledigt“ abgelegt. Danach macht man die Türe hinter sich zu und geht nach Hause.

Bei Katja Neveling lief es lange Zeit anders. Mehr als ein Jahrzehnt „Straßensozialarbeit“ hat Spuren hinterlassen. Mittlerweile sitzt sie zwar in ihrem Büro bei der Caritas-Suchthilfe in der Nordstraße. Das allerdings erst seit drei Jahren. Die meiste Zeit davon im Team, seit vergangenem Dezember als Leiterin der Suchthilfe. Akten bearbeiten und die Türe hinter sich zumachen: Das kann und will sie auch heute nicht tun.

Katja Neveling. Caritas

Noch vor vier Jahren war Katja Neveling als Streetworkerin in Wuppertal unterwegs. Nah dran am Alltag derjenigen, denen sie mit Hilfsangeboten immer wieder Brücken zurück in ein Leben ohne Sucht und Obdachlosigkeit bauen wollte. Und all das war alles andere als Routine. Daran erinnert sich Katja Neveling, wenn sie gesteht: „Ich habe Respekt vor Menschen mit anderen Lebensentwürfen.“ Und das weiß auch ihr Chef Thomas Rasch, der über sie sagt: „Sie hat sich das Herz für die Menschen auf der Straße bewahrt. Man braucht Fingerspitzengefühl, um die Leute zu erreichen. Und das hat sie.“

Mit so viel Lob dekoriert, könnte sich Katja Neveling eigentlich hinter ihrem Schreibtisch zurücklehnen, um Beratungsgespräche zu führen. Und das mit einem genauen Plan im Kopf, wie ein gelungenes Leben üblicherweise auszusehen hat. Von Wegweisungen mit dem erhobenen Zeigefinger ist die Leiterin der Suchthilfe jedoch weit entfernt. Stattdessen schaut sie mit wohlwollendem und mitfühlendem Blick auf die Schicksale derjenigen, die mit ihrer Hilfe versuchen wollen, wieder Halt zu finden. Alkohol, kaputte Beziehungen, ohne Arbeit: Oft kommt ein Problem zum nächsten. Längst ist der Alltag in Schieflage geraten und ohne Hoffnung. Und manchmal — das weiß auch Katja Neveling — gibt es durchaus nachvollziehbare Gründe oder auch erlittene Schicksalsschläge, die eine Abwärtsspirale in Gang setzen können.

Denn einer Gesellschaft — von der nicht wenige sagen, sie fördere Oberflächlichkeit und Egoismus — zählt vor allem eines: Man muss funktionieren. Genau genommen wäre das der Moment, in dem man als Betroffener resignieren könnte. Für Katja Neveling ist das allerdings überhaupt keine Option. „Man kann aus einer Sackgasse auch wieder herauskommen und versuchen, über den eigenen Tellerrand zu schauen“, weiß sie.

Sich helfen zu lassen, ist für sie kein Zeichen von Schwäche: „Leid gehört zum Leben dazu. Es geht darum weiterzugehen und neue Strategien zu entwickeln, ohne den Mut zu verlieren.“

Wer glaubt, die Arbeit mit Suchtkranken sei eine einseitige und kraftraubende Angelegenheit, sollte sich eines Besseren belehren lassen. Denn es gibt vieles im Alltag von Katja Neveling, das erst durch die Nähe zu Menschen in Lebenskrisen entstehen konnte. „Dazu gehören vor allem Humor und Flexibilität“, glaubt sie felsenfest. Und dazu gehöre auch das Geschenk, das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen anders wertschätzen zu können.

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