Ratingen: Zuhause bei den Brügelmanns

Das Industriemuseum Cromford hat viel vorzuweisen: Es erzählt von einer der ersten Fabriken und vom Leben der Industriellen.

Ratingen. Es hat Gerede gegeben - damals, vor mehr als 200 Jahren. Dass die Herrin den Wunsch nach einem Dienstmädchen äußerte, war nicht verwunderlich. Aber dass es - angeblich aus finanziellen Gründen - der Kutscher sein sollte, der auch noch im Schlafgemach der Dame aus gutem Hause behilflich sein sollte, sorgte dann doch für reichlich Aufregung in der Familie. War da vielleicht doch mehr zwischen der Witwe Brügelmann und ihrem Chauffeur?

Die Frage ist eine der wenigen über das Leben der Brügelmanns, die ein Besuch im Herrenhaus Cromford nicht beantwortet. Denn die Vorgänge im Schlafgemach sind nicht überliefert.

"Wir wissen über alle Räume etwas, aber nichts übers Schlafzimmer", sagt Museumsleiterin Claudia Gottfried und lacht. Als sich vor 14 Jahren im Haus Cromford die Museumstüren öffneten, begann dort eine Erfolgsgeschichte, die gerade erst im vergangenen Monat einen weiteren Höhepunkt erreicht hat.

War bislang nur die Industrieausstellung mit den Spinnereimaschinen zu besichtigen, gehört seit ein paar Wochen auch das direkt nebenan gelegene Herrenhaus zum Museum. In jahrelanger Recherche hatten sich die Historiker auf Spurensuche rund um die Unternehmerfamilie Brügelmann begeben, die dort in drei Generationen zwischen 1782 und 1846 ihr Domizil hatte.

Die Annalen wurden studiert, in der noch erhaltenen Korrespondenz gestöbert und an den Wänden nach Überresten alter Farbe gekratzt. "Wir sind in einigen Räumen auf knalliges Blau gestoßen und haben uns sehr gewundert", sagt Gottfried. Aber weil es damals offenbar im Trend lag, die Zimmer so zu streichen, sind sie auch heute wieder knallig blau.

Dazu kommen 500 Exponate auf mehr als 1000 Quadratmetern Ausstellungsfläche, davon allein 250 im neu gestalteten Herrenhaus. "Manches ist noch aus dem Nachlass der Familie, einiges haben wir originalgetreu dazugekauft.

Wir wollten den Räumen ihre Funktion wiedergeben", so die Museumsleiterin. Ein schmales Bett im Schlafgemach, ein hölzerner Toilettenstuhl und ein altes Tafelklavier von 1830.

Diese und viele andere Ausstellungsstücke zeigen eine Lebenswelt, die beim Gang durchs Museum per Kopfhörern noch greifbarer wird. "Wir haben vieles in Hörspielen verarbeitet", erklärt die Museumsleiterin. Direkt nebenan gibt es Einblicke in das Spinnereigewerbe, mit dem die Unternehmerfamilie ihren gehobenen Lebenswandel finanzierte.

Die Technik dafür hatte sie allerdings nicht erfunden. "Das war schon damals Industriespionage", sagt Claudia Gottfried. Dieser ist im Haus Cromford auch in Betrieb zu erleben - weltweit einzigartig.

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