Ratingen: Keine Zeit für „Pillepalle“

Harald Birkenkamp will im Amt bleiben, damit nicht alte Netzwerke ernten, was er gesät hat.

Ratingen. "Ich bin nicht vorbereitet", sagt Harald Birkenkamp und ist auch schon wieder auf dem Weg in sein Amtszimmer. "Kaffee, Cappuccino, Espresso" - der Mann wirkt immer ein bisschen so, als hätte er gerade gar keine Zeit. Vielleicht bringt das Amt des Bürgermeisters einer prosperierenden Stadt das so mit sich.

Vielleicht ist es sein Naturell. Aber unvorbereitet ist Birkenkamp eigentlich nie. Er spricht in kurzen Sätzen, kein Wort zuviel, kaum Gesten. Nur wenn er etwas weiter ausholt, was nicht allzu oft vorkommt, legt er die Fingerspitzen seiner Hände aneinander und lässt seinen Gesprächspartner für Millisekunden aus den Augen.

Kritiker sagen Birkenkamp eine gewisse Kühle nach. "Aber das stimmt nicht. Ich werde oft mit Schicksalen konfrontiert. Und die gehen mir auch nahe", sagt der 59 Jahre alte Familienvater. Doch während andere vielleicht in den Tröstgang schalten, funktioniert Birkenkamp offenbar nach dem Managerprinzip "Problem erkennen, Problem beseitigen".

Auf jeden Fall muss es schnell gehen. Geduld ist nicht die hervorstechende Eigenschaft Birkenkamps. Das gibt er zu. Deshalb sollte ihm auch niemand mit Gejammer oder Themen kommen, die Birkenkamp selbst als "Pillepalle" bezeichnet. Dafür hat er weder Sinn noch Zeit.

Ratingens Bürgermeister ist ein Beispiel für das, was die Landesregierung mit der sogenannten Monospitze nach Baden-Württembergischen Vorbild bezweckte. Der Mann aus dem Volk für das Volk, der gern gesehene Gast auf Schützenfesten und in Kindergärten - das ist nun auch in NRW Geschichte. Birkenkamp kommt das entgegen. Er ist kein Schunkelmeister, das ist er nie gewesen. Die Stadt Ratingen beschäftigt fast 1200 Menschen, setzt im Jahr mehr als 60 Millionen Euro um und hat ein funktionierendes Gemeinwesen zu organisieren. Das ist keine Arbeit für die Ehrenamtler von einst. Da sind Fachleute gefragt.

Aus diesem Grund suchen Parteien heutzutage ihre Kandidaten nicht mehr nach Stallgeruch aus, sondern nach Befähigung. Und es ist nicht unüblich, dass potenzielle Bürgermeister aus anderen Städten kommen.

Das gilt im übrigen auch für Birkenkamp und ist ein weiterer Angriffspunkt seiner Gegner. Dabei wohnt der Amtsinhaber in Mettmann-Metzkausen, was einen Steinwurf von Ratingen entfernt ist. "Ich brauche von Haustür zu Bürotür kaum mehr als zehn Minuten. Und dass ich abends nicht in Ratingen bin, tut doch niemandem weh. Außerdem halten meine Mitbewerber ihre Bürgersprechstunden auch nicht abends um elf in der Fußgängerzone ab." Wann immer die Feuerwehr ihn gerufen habe, sei er jedenfalls sofort zur Stelle gewesen. So etwa, als sich vor einigen Jahren am Heiligabend ein Mensch in Ratingen-West zu Tode stürzte. Birkenkamp war da. "Das vergesse ich nie."

Glücklicherweise überwiegen auch in Ratingen die besseren Tage. Davon hat Birkenkamp nach eigenem Bekunden in den vergangenen fünf Jahren viele erlebt. Und besonders die erfolgreiche Ansiedlungspolitik seines Rathauses treibt den passionierten Wirtschaftsförderer an, für weitere sechs Jahre im Amt zu kandidieren. "Mir macht das Freude. Außerdem will ich nicht, dass die alten Netzwerke die Früchte ernten, die wir hier gesät haben", sagt er. Birkenkamp ist sicher, dass dies nicht geschieht, auch wenn er seine Mitbewerber Santelmann von der CDU und Wiglow von der SPD durchaus schätzt. Nur eben nicht als Bürgermeister Ratingens. Diese Rolle füllt niemand besser aus als er. Davon ist er überzeugt.

An eine andere Rolle hingegen wird Birkenkamp sich selbst erst gewöhnen müssen. "Ich werde Opa", sagt er und lächelt entspannt - Darauf muss er sich schließlich nicht vorbereiten.

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