Ratingen: Interview - „Ein Rathaus muss auch immer ein Stück Baukunst sein“

Die WZ sprach mit dem Architekten des Rathauses über dessen Geschichte, über Emotionen und Neubauplanungen.

Ratingen. Beschlossene Sache: Die Tage des Rathauses an der Minoritenstraße sind gezählt. Mit klarer Mehrheit hat der Stadtrat am 23. August entschieden, dass der Verwaltungsbau nicht saniert, sondern abgerissen wird. Die WZ sprach mit dem Architekten und Erbauer des Rathauses, Ekkehard Jatzlau, über "sein Kind": über die Geschichte dieses Gebäudes, über Neubaupläne und natürlich über Emotionen. Wie haben Sie auf von der Abriss-Entscheidung erfahren, was ging Ihnen dann durch den Kopf?Jatzlau: Ich war an diesem Tag in Holland und habe erst später von dem Ratsentscheid gehört. Ich war maßlos enttäuscht und bin an diesem Abend nicht in den Schlaf gekommen. Enttäuscht deshalb, weil zuvor der Eindruck entstanden war, dass bei den Politikern ein Umdenken eingesetzt hatte, dass sie eben doch den Bürgerwillen respektieren. Das Abstimmungsergebnis war unerwartet deutlich.Jatzlau: Das hat mich sehr irritiert. Es ist aber ein demokratisches Ergebnis und das muss ich respektieren.

Das Rathaus sollte auch ein Bollwerk und eine Trutzburg gegen Düsseldorf sein. Ekkehard Jatzlau, Architekt

Sind Sie mit dem Rathaus in besonderer Weise emotional verbunden?Jatzlau: Natürlich. Es war damals - ich war gerade 35 Jahre alt - meine größte Aufgabe. Für die Stadt Ratingen hatte ich schon einige Schulen gebaut: die Grundschule Talstraße, die Nussbaumschule, die evangelische Volksschule und den Kindergarten in Homberg, auch den ersten Bauabschnitt des Berufskollegs. Später kamen noch die Stadthalle und das Bonhoeffer-Gymnasium dazu. Ein Rathaus zu bauen, war natürlich eine besondere Herausforderung für mich. Inwiefern?Jatzlau: Der damalige Baudezernent der Stadt hatte eine besondere Idee für ein neues Rathaus entwickelt: Aus Anlass der kommunalen Neugliederung sollte quasi ein Bollwerk gegen Düsseldorf errichtet werden. Das Rathaus sollte auch so etwas wie eine Trutzburg sein. Es war ein bewusster Paukenschlag gegen die benachbarte Großstadt. Und es sollte auch ein Ausdruck des Ratinger Selbstbewusstseins sein: Seht her, wir sind die alte Bergische Hauptstadt! Woran zeigt sich das?Jatzlau: Der Standort ist ja nicht zufällig gewählt: Es ist eine historische Stelle - in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Düsseldorfer Tors. Die alte Stadtmauer und der Wallgraben wurden gezielt integriert. Meine Aufgabe war es, diese Grundgedanken technisch und künstlerisch umzusetzen - in einer Riesenskulptur. Diese historischen Hintergründe sind vielen nicht bekannt. Oder sie spielen keine Rolle mehr.Jatzlau: Das enttäuscht mich zusätzlich. Ich hatte gedacht, dass sich die Heimat- und Brauchtumsvereine energischer für den Erhalt einsetzen würden. Man muss sich doch zur Vergangenheit bekennen. Manche bezeichnen das Rathaus als "hässlichen Betonklotz" oder "Schandfleck".Jatzlau: Das zu hören, tut weh. Aber es ist ja hässlich und ein Schandfleck - geworden! In all den Jahren wurde die Fassade nicht einmal gereinigt. Es wurde nichts getan und gepflegt, sondern vielmehr der Eindruck vermittelt: Das Ding ist baufällig. Ein neues Rathaus soll flexibler nutzbar und vom Energiebedarf vorteilhafter sein.Jatzlau: Diese Argumente greifen nicht. Auch das jetzige Rathaus ist flexibel nutzbar. Und ein Gebäude verliert die meiste Energie über die Außenfassade. Da spielt es keine besondere Rolle, ob es einen großen Innenhof hat. An welcher Stelle soll das neue Rathaus gebaut werden.Jatzlau: Der jetzige Standort ist verkehrstechnisch hervorragend. Die Splitlösung halte ich deshalb für besser. Sinnvoll wäre es auch den Westflügel und den Übergang zum Hauptgebäude zu erhalten und in die Neubebauung zu integrieren. Standort Stadthalle?Jatzlau: Schon 1995 habe ich Pläne vorgelegt, die Stadthalle um ein Hotel zu erweitern und zu einem Kongresszentrum auszubauen - das alles war in die Stadthalle integriert. Der Park und der Teich wurden dabei nicht angetastet. Es gäbe also viele Möglichkeiten. Die bisherigen Entwürfe sind allerdings gräßlich, reine Zweckbauten. Eine Stadt wie Ratingen ist der Historie verpflichtet. Ein Rathaus muss deshalb auch Baukunst sein, es muss einen Hauch von Kultur haben.

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