Ratingen: Ein Bahnhof wie geleckt

Die Reinigungsfirma hatte eine Abmahnung bekommen. Jetzt glänzt alles.

Ratingen. Bahnkunden reiben sich die Augen. Seit ein paar Tagen nämlich sind die lange Zeit vermüllten Bahnsteige des Ostbahnhofs so sauber wie geleckt. Mit einer Einschränkung freilich: Geraucht wird trotz des Verbots noch immer. "Ich würde Strafen bis zu 50 Euro verhängen, wenn ich könnte", sagt Bahnhofsmanager Jörg Seelmeyer. Für 1,3 Millionen Euro will die Bahn den Haltepunkt der S 6 in den nächsten vier Jahren sanieren. Neue Abfallbehälter inklusive.

Auf der Suche nach einem Platz, an dem man Mathe-Unterricht praxisnah mit einem Umweltanliegen zusammenbringen kann, waren Grundschullehrer längst auf den Bahnhof gestoßen. Ein Teil der Klasse sollte alle Zigarettenkippen auf dem Bahnsteig aufsammeln (pädagogisches Ziel: "Zahlen über 100 üben"), ein anderer Teil sollte in Abfalltütten stopfen, was aus Müllbehältern quillt. Solche Pläne sind fürs erste vom Tisch. Was früher dreckig war, ist plötzlich sauber.

Die Geschäftsführung einer Reinigungsfirma, die sich um die Müllbeseitigung kümmern soll, hat von der Bahn eine Abmahnung bekommen. Auch die Stadt hatte Druck gemacht. Sie will nicht mit einem Drecksbahnhof in die Schlagzeilen.

"Dreimal die Woche müssen die Besenmänner vor Ort sein", sagt der in Düsseldorf sitzende Bahnhofsmanager. Im Januar vergangenen Jahres war noch von "werktäglicher Trockenreinigung mit Leerung der Abfalleimer" die Rede. So steht es jedenfalls in einem Brief an die Stadt. Jetzt, so scheint es, sind die Saubermänner überraschend jeden Tag da.

Die Papierkörbe sind geleert und sauber, Essenreste weggekehrt. Nur das Problem Zigaretten ist geblieben. Ein unübersehbares Schild erklärt den Bahnhof zwar zur rauchfreien Zone, doch eine Kontrolle findet praktisch nicht statt. Ein eigens eingesetzter Kontrolltrupp ist für alle Bahnhöfe der Großregion zuständig.

Bisweilen kämpft Manager Seelmeyer selbst an der Kippenfront. In seiner Freizeit boxt er - gute Voraussetzung für den Job. Wegen Verschmutzung der Bahnanlagen bittet er Bahnsteig-Raucher mit 25 Euro zur Kasse und darf dabei nicht unbedingt auf Verständnis hoffen. Der Bahnhofsmanager verschweigt im WZ-Gespräch aber auch nicht, dass es noch rechtliche Probleme gibt, wenn man "jemanden dingfest" machen will. Und mit der Beweislage sei’s mitunter auch schwierig, räumt er ein. Ginge es ihm allein nach, müssten unbelehrbare Bahnhof-Raucher "bis zu 50 Euro Strafe" zahlen.

Es wurmt den Manager mächtig, dass einige Missstände zusammenpassen: Den S-Bahn-Fahrplan empfinden viele Kunden als Zufallsprodukt. Rumpelzüge sind - ironisch angemerkt - längst der Kunst gewidmet (Grafitti). Das Bahnhofsgebäude selbst sieht, weniger außen als innen, nach einem dringenden Sanierungsfall aus.

Großes hat die Eigentümerin Stadt mit dem Bahnhof vor. Das behauptet sie jedenfalls. Nur weiß sie nicht, was. Von einer Jugend- oder Kultureinrichtung ist die Rede. Unlängst hat das Rathaus das Thema mit dem Hinweis in die Ablage befördert, man habe derzeit keine Planungskapazitäten frei. Die Politik hat’s geschluckt.

Zwei Jahre ist’s wohl her, da wollten die Stadtverwalter eine Zweigstelle des renommierten Düsseldorfer Tanzhauses NRW im Ostbahnhof etablieren. In dem Institut werden unter anderem Tango-, Flamenco-, Hip-Hop- und Trommelkurse angeboten. Getrommelt wird dort laut und ergiebig. Kein schlechtes Mittel für einen nachhaltigen Weckruf.

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