Ratingen: Diese Sorgen hätten andere gern

Analyse: Der Stadtrat hat den Haushalt Ratingens für 2009 verabschiedet. Aber Risiken und Nebenwirkungen sind nicht ausgeschlossen.

Ratingen. Letztlich hat der Rat Eintracht getragen. Vom Linken Manfred Evers abgesehen, stimmte keiner gegen das Zahlenwerk aus der Kämmerei, das die Basis allen städtischen Tuns in diesem Jahr sein wird. Aber das Fundament ist brüchig und die Frage erlaubt, ob die Parteien angesichts der bevorstehenden Kommunalwahl bereit gewesen sind, ein gewisses Risiko hinzunehmen.

Womöglich hat auch die schwarze Null unterm Strich das Ja zum Etat erzeugt. Wahrscheinlich ist das aber nicht. Dafür sind die Fraktionsspitzen von Bürger Union (BU), CDU. SPD, FDP und Grünen zu gut informiert und zu lang im Geschäft.

Die Planung von Kämmerer Klaus Konrad Pesch hat den Charme, dass der Rat ihm ruhigen Gewissens zustimmen konnte. Der Haushalt ist schließlich ausgeglichen. Und wenn Lothar Diehl (BU) recht hat, dann wird diese Stadt "in die Situation eines Haushaltsicherungskonzeptes allemal nicht geraten".

Mithin bleibt Ratingen trotz Wirtschaftskrise und künftig sinkender Gewerbesteuereinnahmen Herr über seine Ausgaben. Das ist eine der Beruhigungspillen, die Pesch den Politikern verabreichen konnte. Wie lange sie wirkt, ist indes ungewiss.

Aber darauf kam es am Dienstag offenbar auch gar nicht an. Im August wird ein neuer Stadtrat gewählt. Und da galt es schon jetzt, sich als Partei in Stellung zu bringen. Klientelbefriedigung ist auch in Krisenzeiten vonnöten, wenn es am Wahltag kein böses Erwachen geben soll.

Deshalb konnte CDU-Fraktionschef Ewald Vielhaus dem Zahlenwerk trotz harscher Kritik leichten Herzens zustimmen, obwohl er zuvor mehr Bescheidenheit empfohlen hatte. Das ist wohlfeil, wenn unter dem Strich doch wieder all diejenigen bedient werden, welche die CDU als mögliche Wähler ausgemacht hat.

Das gilt für die 35.000 Euro Zuschuss, über die sich der Knabenchor Hösel nun freuen darf, es gilt für die Fußballer in Breitscheid und Homberg, die alsbald auf Kunstrasen kicken, es gilt für die Lintorfer, für deren Ortsumgehung der Rat die Vorfinanzierung übernimmt. Und all das in einer Zeit, in der Ratingen laut Vielhaus "in das Tal der Wirtschaftskrise" geht.

Auch die anderen Ratinger Parteien scheinen fröhlich pfeifend mitzugehen. Die SPD beispielsweise, weil der Haushalt ihre Klientel nicht ganz vergisst. Die Forderung von Fraktionschef Christian Wiglow, die Abschaffung der Kindergartenbeiträge auf die Einkommensgruppe bis knapp 25.000 Euro im Jahr zu beschränken, hatte die Verwaltung in ihrer Vorlage zum Haupt- und Finanzausschuss längst erfüllt.

Dass die Stadt nun offensiv nach einer neuen Leitung für das Museum sucht, spielt der kulturfreundlichen SPD ebenso in die Karten wie der Zuschuss an die Griechische Gemeinde. "Sparen dort, wo sich keiner wehren kann oder wird, ist mit der SPD nicht zu machen", sagte Wiglow.

Dass die FDP von ihrem von Fraktionsvize Hannelore Hannig angekündigten Nein zum Haushaltsplan Abstand nahm, überrascht nicht. Es dürfte in weiten Teilen den Argumenten zu verdanken sein, mit denen die CDU ihr Ja-Wort gab. Und auch die Grünen finden sich an den Stellen wieder, an denen es beispielsweise um die Infrastruktur etwa von Schulen geht.

Und überhaupt wurde es Ende März langsam Zeit, die Stadtverwaltung mit einem genehmigten Finanzfahrplan zu versorgen. Dass dieser Plan Risiken wie steigende Arbeitslosigkeit und damit höhere Ausgaben für die Stadt ebenso weitgehend ausblendet wie Hinweise von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD), dass Deutschland sich nur sehr langsam von der Krise erholen wird, ist mindestens risikofreudig.

Denn wenn die Wirtschaft länger braucht, um wieder auf die Füße zu kommen, werden auch die Gewerbesteuereinnahmen langsamer steigen.

Unter diesen Umständen könnte der Stadtrat schon im nächsten Jahr zu unpopulären Entscheidungen gezwungen werden, die er mit Einsparungen in diesem Jahr vielleicht hätte entschärfen können. Könnte, vielleicht, womöglich - wer weiß?

Sicher ist dafür immer noch, was Lothar Diehl (BU) mit den Vergleichen von Ratingen mit den gebeutelten Städten Wülfrath, Velbert und Mettmann sagen wollte: Ratingen hat Sorgen, die andere gern hätten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort