Ratingen: Die lange Nacht der Stimmen

Stimmakrobatik, brasilianisches Temperament und Zulu-Klänge mit Mozart begeisterten bei der Vocal-Night. Am Freitag überwogen dagegen die leiseren Töne.

Ratingen. Nach vier Abenden, die bereits alle im Zeichen der menschlichen Stimme gestanden hatten, noch einmal eine Schippe nachzulegen, war sicher keine leichte Übung. Der langen "Vocal-Night" des Ratinger "Voices"-Festivals gelang dieses Kunststück am Samstagabend aber mit Bravour.

Schon der Auftakt alleine hätte ausgereicht, die Besucher im ausverkauften Stadttheater vollauf zu begeistern: Der amerikanische Percussionist und Sänger Vincent De Jon Peretta alias Vinx verblüffte als "One-Man-Band". Eine Trommel und seine Stimme reichten dem ehemaligen Athleten, Fitnesstrainer und erfolgreichen Profimusiker vollkommen für seine Show.

Auf seiner Djembe zauberte er mitreißende exotische Rhythmen, Trommelwirbel und stampfende Beats, die direkt in den Magen und in die Beine gingen. Als ob das allein nicht schon reichen würde, sang er dazu mit einer vollmundig warmen Soulstimme, die auf alle manierierten Schnörkel und modische Mätzchen verzichten kann - im Handumdrehen brachte Vinx die Stimmung im Theater zum Kochen.

Danach war eine Abkühlung nötig, in Form von Viviane De Farias. Die Brasilianerin bescherte Ratingen mit ihrer Band authentische südamerikanische Klänge, fernab kommerzialisierter "Samba-Folklore". Bossa Nova, Choros, Latinjazz - komplexe Rhythmen und fantastische Melodien wurden auf höchstem künstlerischen Niveau präsentiert. Neben ihrer umwerfenden Stimme begeisterte auch die natürlich-ungezwungene Eleganz der Sängerin.

Den Abschluss machte ein europäisch-afrikanisches Musikexperiment der besonderen Art: Der österreichische Pianist Roland Guggenbichler und die Sänger Vusa Mkhaya Ndlovu, Blessings Nqo Nkomo und Ramadu aus Zimbabwe verschmolzen auf der Bühne traditionelle Zulu-Musik mit Kompositionen von Wolfgang Amadeus Mozart - MoZuluArt!

Die schlüssige Kombination von klassischer Musik und den hypnotisch sonoren Harmonien der afrikanischen Sänger war weit mehr als verkitschter Multikulti-Crossover, sondern ein gelungener Brückenschlag zwischen den Kulturen zweier Kontinente. Tosender Applaus und ein hellauf begeistertes Publikum.

Am Freitagabend ging es dagegen ruhiger, aber nicht minder unterhaltsam zu. Grimme-Preisträger August Zirner und das "Spardosen-Terzett" klärten die Frage, wie instrumentale Jazzmusik ins Voices-Programm passt. "Diagnose: Jazz" heißt das Programm, mit dem der amerikanisch-österreichische Schauspieler und das Essener Jazz-Trio die kongeniale Verschmelzung von Musik und Wort zelebrieren.

Auch im Stadttheater überzeugte das "Live-Hörbuch mit Musik". Drei herausragende Persönlichkeiten des modernen Jazz hat Zirner sich herausgesucht: Bassist Charles Mingus, Pianist Thelonius Monk und Ausnahmesaxophonist Roland T. Kirk.

Der Schauspieler hat dabei einen Blick auf die Menschen hinter den großen Namen geworfen und Bruchstücke dreier Biografien abgetastet - voller Leben, Witz und Tragik. Fast nahtlos ging seine Stimme über in die Musik, mit demselben Atemzug, mit dem er eben noch erzählt hatte, blies er mit einem mal die Querflöte zur brillanten Begleitung seiner drei Mitmusiker.

Nach der Pause setzten der Kabarettist Wendelin Haverkamp und das Engstfeld-Weiss-Quartett das Experiment fort. Ihr "Treffpunkt Spielplatz" ist längst eine Institution in der Landeshauptstadt. Schon in den 60ern spielten Haverkamp und Wolfgang Engstfeld (inzwischen Saxophon-Professor) gemeinsam auf dem Spielplatz in Oberkassel, jetzt spielen sie gemeinsam auf der Bühne.

Haverkamp stellte seine überraschenden Fähigkeiten als Jazzsänger unter Beweis, die als Satiriker und Kabarettist musste er nicht mehr bestätigen. Nach der abgründigen Vorstellung der ersten Hälfte war diese leichte, aber keineswegs leichtgewichtige Kombination genau das Richtige.

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