Ratingen: Das neue Rezept heißt billig

Apotheken: Nach den Discount-Bäckern kommen jetzt die Billig-Apotheken. In Breitscheid hat die zweite dieser Art in Ratingen eröffnet.

Ratingen. Aus Breitscheider Sicht ist die Sache einfach: Der Ort hat endlich eine eigene Apotheke. Niemand muss mehr für eine Packung Kopfschmerztabletten weite Wege auf sich nehmen. Und das Arztrezept kann gleich um die Ecke abgegeben werden. "easy-Apotheke" heißt die Lösung für den Breitscheider Versorgungs-Mangel. Doch der Laden mit seinem apfelgrünen Logo, der sich da im Real-Markt eingerichtet hat, wird von den Apothekern in der Umgebung beargwöhnt, wenn nicht sogar gefürchtet. Die "easy-Apotheke" ist nämlich Ratingens erste Discount-Apotheke - und schon die zweite, die sich vor allem über niedrige Preise definiert.

Bereits vor einem Jahr wurde am Markt die "Super-Markt-Apotheke" eröffnet, bei der sich Kunden ihre Medikamente anhand von Beratungskarten selbst aussuchen. Am Tresen werden die Präparate dann ausgehändigt und bezahlt. Die "easy Apotheke" geht noch einen Schritt weiter: Was frei verkäuflich ist, liegt offen in großen Regalen aus. Wer mag, schiebt wie im Supermarkt seinen Einkaufswagen durch den Gang. Beraten wird an einem separaten Tresen, bezahlt am Ausgang. Medikamente, die in den verschlossenen Schränken lagern, werden nicht von Menschenhand heraus gesucht, sondern von einem Automaten ausgespuckt. Lohn des Geizes: Viele Medikamente sind drastisch billiger, manche kosten nur die Hälfte wie in einer klassischen Apotheke.

Für Apotheker Hagen Lück ist Breitscheid nach Essen schon der zweite Standort, an dem er eine "easy Apotheke" betreibt. Mit der Resonanz ist er hoch zufrieden. "Wir bedienen mehrere hundert Leute am Tag." Er ist überzeugt, dass sich die Discount-Apotheken noch weiter durchsetzen werden "das Potenzial ist auf jeden Fall da." Davon ist auch Leila Imppola überzeugt. Die Finnin war gestern zum Großeinkauf in der "easy Apotheke". "In Finnland kaufen wir fast nur noch in solchen Apotheken", erzählt sie. Ganz so weit werde es wohl nicht kommen, glaubt Lück. "Aber es wird irgendwann zwei Modelle geben: Die preisaktiven Apotheken und die Premium-Apotheken." Für die Missgunst, die ihm von manchen seiner Kollegen entgegenschlägt, hat er kein Verständnis: "Das Konzept kann doch jeder gerne nachmachen."

Genau das käme Inge Funke nicht in den Sinn. Die Apothekerin ist Sprecherin für die Apothekerkammer in Ratingen und sieht die Entwicklung mit Skepsis: "Ich hoffe, dass das nicht Schule macht." Arzneimittel sind eben keine Lebensmittel, meint sie. Und Apotheker sollten nicht wie reine Kaufleute denken. Dazu gehöre eben auch, die Kunden nicht mit Kampfpreisen zu mehr Konsum zu verführen. Paracetamol für weniger als einen Euro? Gefährlich findet sie das, angesichts der Langzeit-Nebenwirkungen.

Das Konzept sei für sie "nicht tragfähig" - weniger aus wirtschaftlichen Gründen, denn aus ethischen. "Ich will den Leuten doch nicht das Haus voller Arzneimittel stellen." Lieber investiert sie in ihrer Apotheke in das Labor, um beispielsweise schnell eine Salbe herzustellen. Das bringt zwar nichts ein, gehört aber dazu, findet sie. Außerdem, davon ist sie überzeugt, "will ein Kranker eine individuelle Problemlösung - und nicht die Preise vergleichen."

Bis jetzt fährt die Apothekerin damit gut. "Wir haben viele Stammkunden", sagt sie. Da ist die neue Konkurrenz kaum zu spüren. Aber: "Es gibt Kollegen, denen der Trend schon weh tut."

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