Ratingen: Birkenkamps Werbetrommeln

Der städtische Neujahrsempfang war eine gut inszenierte Wohlfühl-Gala. Nicht allen Gästen gefiel so viel schillernde Selbstdarstellung.

Ratingen. Knapp 500 Gäste aus Politik, Verwaltung, Vereinen, Verbänden und öffentlichem Leben waren am Freitagabend zum Neujahrsempfang des Bürgermeisters in die festlich dekorierte Dumeklemmerhalle gekommen.

Sie alle erwartete ein gut eineinhalbstündiges Unterhaltungsprogramm, das es bei einem solchen Anlass bisher noch nie gegeben hatte. Zentrale Botschaft des Abends sollte sein: "Ratingen ist schön! Hier lässt’s sich gut leben, hier fühlt man sich wohl."

Dass es kein Abend der leisen Töne werden würde, machte schon der unüberhörbare Auftakt der Percussionsgruppe mit Kay Vester klar, die mit Samba-Rhythmen die Gäste einstimmte.

In seiner Begrüßung schlug Bürgermeister Harald Birkenkamp den Bogen vom frostigen Jahresbeginn zum "kalten Hauch der Rezession", versprühte aber ungebrochenen Optimismus und Zuversicht: "Wir in Ratingen haben noch keinen Anlass zum großen Zittern."

Verzagtheit sei ohnehin kein guter Ratgeber, um Herausforderungen zu meistern. Ratingen könne das kommende Jahr mit Zuversicht angehen, die Stadt sei in "allen Bereichen gut gerüstet".

Dem Ausblick folgte wieder eine Premiere - Birkenkamps Jahresbilanz 2008: Ein 13 Minuten langer Film, der - professionell gedreht, aber manchmal etwas dick aufgetragen - in schönen, bunten Bildern schwelgte, die Wirtschaftskraft der Stadt und ihre Standortgunst hervorhob und die Firmenneuansiedlungen lobte.

In kurzen Blöcken streifte der Film die wichtigsten Themenbereiche: Ausbau von Schulen und Kinderbetreuung, Neubau der Feuerwache, Ausbau der Sportstätten und Sanierung der Spielplätze. Gezeigt wurde Ratingen als Kulturstadt (mit Ausschnitten aus dem "Voices"-Festival) und als Gemeinde, in der mit dem Start der Tafel das soziale Netz noch enger geknüpft wurde.

Zwischen den schnell geschnittenen Filmsequenzen hatte mit kurzen Statementes auch der Bürgermeister seine (inszenierten) Auftritte: Harald Birkenkamp mal als volksnaher Stadtvater an einem Marktstand und bei der Spielplatzeinweihung, mal als entschlossener Macher am Schreibtisch im Rathaus. Auch Bürger kamen zu Wort und durften in Interviews ihr Lob kundtun.

Der Film, eine 13-Minuten-Terrine des Wohlbehagens, weckte trotz des warmen Applauses gerade in Wahlkampfzeiten unterschiedliche Reaktionen. "Ein Schelm ist, wer Schlechtes dabei denkt", kommentierte Hubertus Brauer, Chef des Karnevalsausschusses, mit vielsagendem Lächeln.

Die politischen Gegner sahen diese Art von "Staatsfernsehen" jedoch an der Grenze des Zumutbaren. Die Reaktionen reichten von "reiner PR-Film für den Bürgermeister und seine Partei" bis "Lang lebe Kim Jong-Il Birkenkamp", wie SPD-Bürgermeisterkandidat Christian Wiglow in Anspielung auf den nordkoreanischen Machthaber giftete.

Zwiespältig reagierten viele auch auf einen weiteren Programmpunkt des Abends: das Interview mit Jens Kürten, Kommunikationschef von Vodafone. Er präsentierte in Kurzform Ratingens größten Arbeitgeber (2.200 Mitarbeiter) und durfte mit der Unternehmensstiftung Werbung in eigener Sache machen.

Rundum positiv kam dagegen die Idee an, das musikalische Rahmenprogramm von Gästen aus Ratingens Partnerstädten bestreiten zu lassen: Aus Vermillion (Süddakota/ USA) waren das charmante Opernsänger-Paar Darla und Bruce Earnest angereist, die mit Musicalsongs begeisterten. Das finnische Kokkola war mit einem jugendlichen Posaunen-Quartett bestens vertreten.

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