Privatinsolvenz: Der lange Weg aus den Schulden

Seit einem halben Jahr gilt für Privatinsolvenzen eine neue Rechtslage.

Wülfrath. Seit dem 1. Juli gilt das neue Privatinsolvenzrecht, was Schuldenfreiheit bereits nach drei Jahren ermöglichen soll. Doch Schuldnerberater sind skeptisch, dass es für ihre Klientel eine Verbesserung bringt.

Bis zur Scheidung lief alles gut. Doch dann begannen die finanziellen Probleme. Mittlerweile sitzt Elke Heinen (Name von der Redaktion geändert) im Büro von Heinrich Beyll in Mettmann. Der Caritas-Schuldnerberater wirft einen Blick auf die Unterlagen und bilanziert: „Mit dem gemeinsamen Einkommen konnten die Schulden getilgt werden. Aber mit nur einem Gehalt ist das nicht mehr machbar.“

Was ihm dabei besonders ins Auge fällt, ist längst kein Einzelfall. „Die Bank hat den langfristigen Kredit über das Rentenalter von 65 Jahren hinaus kalkuliert. Bei der zu erwartenden Rente hätten auch ohne Scheidung die Raten nicht mehr gezahlt werden können“, glaubt der Schuldnerberater.

Dass einige Banken zu großzügig in der Kreditvergabe sind, sei ein großes Problem. „Da sind 96 Monate für die Tilgung keine Seltenheit. Das kann man gar nicht überblicken“, weiß Heinrich Beyll. Fällige Unterhaltszahlungen, Scheidung oder Arbeitslosigkeit können das Fass schnell zum Überlaufen bringen. Am Ende bleibt oft nur der Weg in die Privatinsolvenz. Nach sechs Jahren war man bei entsprechendem „Wohlverhalten“ bislang wieder schuldenfrei.

Seit dem 1. Juli gilt das neue Insolvenzrecht, mit dem man schon nach drei Jahren schuldenfrei sein könnte. Zumindest theoretisch. Denn die Hürden für den frühen Schuldenerlass nach 36 Monaten sind hoch.

Zu hoch für die meisten Schuldner im Kreis, von denen nur wenige die erforderlichen 35 Prozent der Restschuld tilgen können. Hinzu kommen 40 statt bislang 15 Prozent, die der Insolvenzverwalter bekommt. Wer mit 10 000 Euro bei Gläubigern im Minus steht, müsste also etwa 7500 Euro berappen, um sich schon nach drei Jahren von der Restschuld befreien zu können.

„Hier gibt es niemanden, der davon profitieren könnte“, weiß DRK-Schuldnerberaterin Dagmar Peetz aus Wülfrath. Die meisten ihrer Klienten seien Hartz IV-Empfänger.

Auch Heinrich Beyll schüttelt angesichts der Gesetzesreform den Kopf. „Das ist völliger Unsinn“, kommentiert der Schuldnerberater die Tatsache, dass erstmal Geld vorhanden sein muss, um sich schnell von den Schulden befreien zu können. Von den 70 Klienten, die er in Mettmann und Haan jährlich betreut, könne daher kaum einer von der neuen Regelung profitieren.

Immerhin sei es zukünftig auch möglich, bereits nach fünf Jahren die restlichen Schulden erlassen zu bekommen, um wieder ein normales Leben führen zu können — wenn zumindest die Verfahrenskosten bezahlt werden. „Da kommen allerdings auch 1500 bis 2500 Euro zusammen“, weiß Dagmar Peetz. In Einzelfällen hält sie zumindest das für machbar, so dass das neue Insolvenzrecht nicht gänzlich ins Leere laufen dürfte.

Auch einige Klienten von Heinrich Beyll haben die Gesetzesreform abgewartet, um nun ihren Antrag auf Privatinsolvenz zu stellen. Unter ihnen ist auch Elke Heinen. Sie wird nun versuchen, jeden Monat wenigstens 30 Euro zurückzulegen, um so vielleicht in fünf Jahren die Verfahrenskosten bezahlen und schuldenfrei sein zu können.

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