Neviges: Spectaculum in Handarbeit

Nach einem mäßigem und feuchtem Auftakt ging es am Sonntag auf dem Markt richtig rund.

Neviges. Lautes Geschrei hallt über die Wiese am Schloss Hardenberg, begleitet von metallischem Klirren. Eine Wikingerhorde, bewaffnet mit Schwertern und hölzernen Schilden liefert sich ein wüstes Gefecht. Begleitet wird die Keilerei von den markerschütternden Klängen, die ein kleiner Junge mit der ganzen Kraft seiner Lungen auf einem Horn produziert.

Natürlich ist der Kampf nur Show und gehört zum Programm des mittelalterlichen Schlossfestes, das bei der zehnten Auflage am Wochenende wieder zahlreiche Besucher nach Neviges zieht. Viele kommen in Gewandung, was nicht nur zum Flair beiträgt, sondern auch den Eintrittspreis um drei Taler - vulgo: Euro - reduziert.

Rund um Schloss und Vorburg warten Marktstände und Zeltlager, Gaukler und Spielleute auf die Besucher, laden ein, Leckeres nach alten Rezepten zu verköstigen, Zierrat oder Kleidung zu kaufen, die mittelalterlichem Vorbild nachempfunden sind oder dafür gehalten werden.

Auch die Kinder kommen nicht zu kurz. Sogar ein kleines Riesenrad steht auf der Wiese, Nachbau eines 400 Jahre alten Originals: "Damit hat sich früher der Adel vergnügt", erläutert Hans Reck, während er das Rad mit den vier Gondeln von Hand in Schwung hält. Alternativ gibt es einen Fußantrieb - Elektromotoren waren schließlich damals noch nicht erfunden.

Im Schatten eines Wehrturms dürfen sich kleine und große Besucher an Pfeil und Bogen probieren. Zwar ist der Bogen größer als der dreijährige Hendrik, aber mit ein wenig Unterstützung fliegt der Pfeil immerhin in Richtung Zielscheibe: So einfach, wie es aussieht, ist die Sache jedoch nicht: Beim ersten Versuch von Sandra Recker schnellt die Sehne vor, doch der Pfeil klemmt noch zwischen den Fingern der 36-jährigen Nevigeserin.

Ein paar Meter weiter präsentieren die Mallbüdels aus Neuss Handwerk des 13. Jahrhunderts. Ein Doppelhub-Blasebalg heizt das Feuer in der Esse an, in der Schmied Okko, mit bürgerlichem Namen Sven Abramski, Gebrauchsgegenstände jener Zeit schmiedet. Doch wie überhaupt Feuer machen? Schmunzelnd zieht Okko einen stählernen Ring aus der Tasche, mit dem er auf einen Feuerstein schlägt. Funken stieben in ein winziges Zunderknäuel, entwickeln mit ein wenig Pusten eine kräftige Glut, die ein kleines Strohnest in Brand setzt. Ein paar Holzspäne darauf, und nach gut einer Minute lodert ein ausbaufähiges Feuer.

Ehefrau Bertradis alias Sonja Abramski zeigt unterdessen, wie aus selbst gesponnener Wolle eine Socke entsteht. Naalbinding (Nadelbindung) heißt die mit Nadeln aus Horn und Holz betriebene, bis Mitte des 16. Jahrhunderts gängige Vorläufertechnik des Häkelns und Strickens, die sich seit der Jungsteinzeit in fast allen Kulturen nachweisen lässt. Doch zunächst gibt es ein kräftiges Mahl: Lammkoteletts auf Zwiebel-Knoblauch-Speckbett mit Propst-Semmeln nach dem uralten Rezeptbuch eines süddeutschen Klosters.

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