Mit Fakten gegen Facebook-Hetze

Vielschreiber André Herbes und Peter Klückmann sprechen über Gefahren und Chancen des digitalen Stadtgesprächs.

Mit Fakten gegen Facebook-Hetze
Foto: U. Bangert

Wülfrath. „Ausländische Euromünzen“ hat eine besorgte Wülfratherin in ihrem Garten gefunden und lässt bei Facebook ihre Mitbürger davon wissen. Der Unterton ist eindeutig: Da waren kriminelle Ausländer in ihrem Beet. André Herbes (45) kann solche Geschichten nicht unkommentiert stehenlassen. Als Replik zeigt er im Netz ein Foto vom Inneren seines Portemonnaies — ebenfalls voller Euro-Münzen aus fernen Ländern. Seine Theorie: Da waren Spanier und Iren an seiner Geldbörse.

Ratsherr Herbes (WG) gehört zum Kreis der Vielschreiber bei Facebook, die vor allem in der Diskussionsgruppe „Wülfrather Boxring“ ständig kommentieren, einhaken, einordnen. Gerade wenn es um unbelegte Behauptungen oder sogar getürkte Nachrichten geht. „Es gibt wirklich noch Leute, die glauben alles, was sie im Internet gelesen haben.“ Daher ist er immer schnell dabei, den Gegenbeweis zu bringen. „Ich will Fakten liefern“, sagt er.

Polemik lässt sich in Sozialen Medien leicht transportieren. Herbes weiß: „Früher hätten manche Gespräche in der Kneipe stattgefunden und es hätte keinen interessiert. Heute schaffen es wenige Leute, viel Krawall zu machen.“ Das kann das Meinungsbild verzerren. Beispiel Wülfrather Boxring. Hier ist Hetze eigentlich nicht an der Tagesordnung, Der Großteil der mehr als 1200 Mitglieder diskutiert gesittet und sachlich. Doch wer am falschen Tag die Kommentare zu Reizthemen wie Flüchtlingspolitik oder den Türkeibeziehungen liest, könnte einen anderen Eindruck gewinnen. Vielschreiber Peter Klückmann (65) hat die Erfahrung gemacht: „Auf negative Dinge fahren die Leute viel mehr ab.“

Verschärft wird das Problem durch die teils enthemmte Wortwahl. Klückmann kennt das Phänomen: Manche lassen bei Facebook verbal die Sau raus — und sind im echten Leben der nette Nachbar. „Wenn man sie auf der Straße trifft, reden sie auf einmal ganz anders als sie schreiben“, so Klückmanns Erfahrung.

Ein alltäglicher Fall: Ein Foto von einer Trikotübergabe an eine Kindermannschaft wird gepostet. Ein Kommentator schreibt: „Wie können Kinder nur so fett sein.“ Auge in Auge — ein unvorstellbarer Einwurf. Im Netz — normal. André Herbes, der das Beispiel als Screenshot festgehalten hat, glaubt: „Die Leute vergessen manchmal, dass da Menschen am anderen Ende sitzen.“

Trotz dieser Nebeneffekte sind Klückmann und Herbes fest davon überzeugt, dass das digitale Stadtgespräch, wie es sich in Gruppen wie dem „Boxring“ oder „Wülfrath aktuell“ abspielt, unterm Strich etwas Positives ist. „Der Mehrgenerationen-Austausch findet wunderbar bei Facebook statt“, sagt Klückmann. Herbes glaubt, dass Aktionen wie etwa die Koordination der Flüchtlingshilfe ohne die Sozialen Netzwerke in der Form gar nicht möglich gewesen wären.

Auch, dass die Bürger Probleme im Stadtgebiet — etwa wilde Müllhalden — ganz einfach aufzeigen können, ist für ihn eine tolle Chance des digitalen Zeitalters. Da wundert er sich, dass die Stadtverwaltung in den Sozialen Netzwerken nicht aktiver ist: „Ich habe manchmal das Gefühl, die haben Facebook nicht auf dem Schirm.“

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