Lokal "Am Acker": Hinter der Fachwerkfassade wurde deftige Kost serviert

Im Lokal „Am Acker“ musste früher die gesamte Familie mit anpacken. Mittlerweile ruht der Betrieb in dem alten Fachwerkhaus.

Velbert. Im Gastraum sind noch ein paar Stühle und Tische zu Sitzecken angeordnet. Auf dem wuchtigen Kamin prangt ein Wildschweinrelief. Zur Küche — oder zu dem, was von ihr übriggeblieben ist — führt eine Saloontür. Dort stapeln sich zwischen Putzfetzen noch Dutzende Teller, lose Seiten einer Speisekarte empfehlen den „Putenspieß auf Blattspinat und Kartoffelrösti 9,80 Euro“. An den Deckenbalken hängen Krüge, ein Schild verweist auf den Biergarten.

„Verwaist“ würde besser passen. Es sind Räume, die Stück für Stück verfallen. „Es ist traurig, wenn man bedenkt, was man hier an Arbeit reingesteckt hat“, sagt Ellen auf der Brücken über das altbergische Gasthaus „Am Acker“. Das Fachwerkhaus am Richrather Weg ist seit 2006 geschlossen.

Besitzerin Ellen auf der Brücken belebte das Lokal einst mit ihrer Familie. Das Haus stammt etwa aus dem Jahr 1787, steht aber nicht unter Denkmalschutz und gehörte zunächst einer Bauernsippe namens Ackermann. Neben der Landwirtschaft betrieb sie eine Schänke, die unter wechselnden Besitzern größere Ausmaße annahm, berichtet eine Chronik des Velberter Wirtevereins. Da das Gebäude Ende des 19. Jahrhunderts auch als Pferdewechselstation diente, waren bald Fuhrmänner, Kaufleute und Seidenweber unter den Gästen.

1931 übernahm auf der Brückens Vater Hugo Schafhaus das Anwesen. Seine Spezialität war die Schlachtplatte, schließlich gab es auf dem Hof seinerzeit Schweine: „Mettwurst, Blutwurst, Leberwurst, Sülze und in die Mitte kam ein Ei“, erzählt Ellen auf der Brücken. „Das kostete damals eine Mark fünfzig.“ Außerdem kelterten sie jedes Jahr 1000 Liter Beerenwein.

Experte war Hugo Schafhaus noch für eine andere Flüssigkeit: Bevor er mit seiner Familie auf den Ackerhügel zog, verdiente er sein Geld als Milchhändler mit einem „Eier-Butter-Käse-Geschäft“ an der Hohenzollernstraße. Die Idylle war relativ. „Ich musste Kartoffeln schälen, noch bevor ich in die Schule kam“, erzählt auf der Brücken. „Geburtstage und Weihnachten waren eingeschränkte Erlebnisse. Das Familienleben drehte sich um die Gastronomie. ,Das Wohnzimmer ist die Wirtschaft’, sagte mein Vater.“

Die 81-Jährige erinnert sich gern an Franz Lange, einen Kellner, der im Haus wohnte: „Franz war tüchtig. Der hätte dem Papst ein Doppelbett verkauft.“

Nachdem ihr Vater 1962 gestorben war, zog sich die Familie aus dem Geschäft zurück, vermietete das Lokal fortan an externe Gastwirte — und hatte mehrfach Pech mit den Pächtern: Mal bestand das Wirtspaar aus einem Zuhälter und einer Prostituierten, mal war der Gastronom ein guter Koch, aber schlechter Rechner und hielt nicht lange durch.

Seit 1984 betrieben Ulrike Schäfer und Claus Theuring das Restaurant mit regionaler Küche wie Pillekuchen oder „Himmel un Ääd“, bis sie sich nach 21 Jahren vom Acker machten.

Lange Zeit wohnte Ellen auf der Brücken im ersten Stock des Gasthauses, mittlerweile in einem Anbau, der einst eine Kegelbahn beherbergte. Die Terrasse gewährt einen freien Blick über Langenberg. Das Gebiet hat sich in den Jahrzehnten kaum verändert, denn Baugenehmigungen sind hier Mangelware: „früher, weil es ein Brunnengebiet war, heute wegen der nahen Strommasten“. Beim Sturm „Kyrill“ 2007 stürzten auf dem Gelände allerdings 45 Bäume um.

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