Langenberg: Tafelrunde statt Abendmahl

Als Symbol der Vereinigung von reformierter und lutherischer Gemeinde entstand ab 1876 die Neue Kirche Langenberg. Doch 1986 drohte der Abriss.

Langenberg. An diesem Abend wird die Eventkirche zu Draculas Schloss - und das, obwohl ein Kreuz über dem Hauptportal ruht und Knoblauchzehen den Eingang schmücken. Wie hat sich der schaurige Graf da bloß hinein getraut? Teelichter geleiten zur Empore hinauf; die Sprechmuschel über der Kanzel ist blutrot angestrahlt.

Vielarmige Kerzenleuchter neben dem Altar und auf den Tischen liefern sich mit den Scheinwerfern einen Wettstreit um das geheimnisvollste Licht. In dieser Kulisse werden die Gäste beim buchstäblich dramatischen Dracula-Dinner ein Vier-Gänge-Menü genießen.

Die ehemalige Neue Kirche der evangelischen Gemeinde Langenberg ist seit ihrer Entwidmung 2001 Veranstaltungsort für weltliche Ereignisse: Bühne statt Beten, Tafelrunde statt Abendmahl.

Als sich die reformierten und lutherischen Gemeinden 1876 zusammenschlossen, waren ihre Gedanken andere: Ein Symbol der Vereinigung sollte die zweite Kirche an der Donnerstraße werden. Für die Umsetzung besorgte man sich einen Star-Architekten: Julius Carl Raschdorff, späterer Erbauer des Berliner Doms.

Von seinem historisierenden Stil zeugen unter anderem romanische Rundbogenfenster des Mittelalters sowie Rosettenfenster, deren Vorbilder in der französischen Gotik zu finden sind. Die Bemalung der wuchtigen Kassettendecke stellten zwei örtliche Malermeister in zwei Monaten her - allerdings mit Schablone.

Bis zur Eröffnung im August 1880 schien alles bestens. Kaum sechs Monate später aber beklagte die Baukommission, dass Nässe eindringe. Die Folge: ausufernder Schwammbefall. Ein Baumangel, der die Kirche über 100 Jahre begleitete und 1986 fast zu ihrem Abriss geführt hätte - wenn Stadt und Land den Beschluss des Presbyteriums nicht abgelehnt und die Kirche unter Denkmalschutz gestellt hätten. "Das Gebäude hat stadtgeschichtliche und für die Architekturgeschichte des Kirchenbaues im Rheinland besondere Bedeutung", erklärte das Ministerium für Städtebau (siehe Infokasten).

Gutachten wurden erstellt, Nutzungskonzepte entworfen, Fördermittel bewilligt. Die Sanierung konnte beginnen - begleitet von zähen Verhandlungen um mehr Geld und einem Gerichtsprozess; beinahe hätte man auch noch die polnischen Restauratoren verloren, weil deren Arbeitserlaubnis auslief. Karl-Wilhelm Wilkesmann, Vorsitzender des Presbyteriums und mit der Gemeinde Träger der "Initiative Neue Kirche", erinnert sich an die Planung der Innenarbeiten: "Die Kirche war komplett leer. Es war kein Putz mehr auf den Wänden. Blankes Mauerwerk. Man lief auf bloßer Erde, die Ornamentik und die Skulpturen waren eingelagert."

Fast zehn Jahre war die Kirche nach strengen Vorgaben der Denkmalbehörde erneuert worden, als sie im Januar 2001 als Eventkirche wiedereröffnet werden konnte. Das Konzept sehe zwei Schwerpunkte vor, sagt Wilkesmann, der das Kunstprojekt "Tuchfühlung" organisierte: private Veranstaltungen wie Hochzeiten (mit Buffet, Bühne und Tanzfläche) sowie Theater-Spielstätte als Ersatz für das geschlossene Bürgerhaus.

Hinzu kommen Reihen mit klassischen Konzerten, Weltmusik - und sogar Modenschauen: 2005 flanierten Models in Brautkleidern durchs Kirchenschiff. Für die Pläne, aus der Kirche eine Eventlocation zu machen, ist Wilkesmann anfangs "auch bitterböse beschimpft" worden. Ketzerei wurde ihm vorgeworfen. "Es gibt Menschen, die unsere Veranstaltungen nicht besuchen, weil sie den Ort als entweiht ansehen." Doch die Nutzung hat klare Grenzen, etwa für laszive Vorhaben: "Es gab Anfragen für Nacktaufnahmen in der Kirche; so etwas lehnen wir natürlich ab."

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